Böllberger Mühle Böllberger Mühle: Die Gefahr am Stromzaun
halle - Schuttberge, eingefallene Backsteinmauern, wild rankender Efeu, verkohlte Überreste erinnern an zurückliegende Brände - die verfallenen Gebäude der ehemaligen Hildebrand’schen Mühlenwerke AG am Böllberger Weg in Halle sind ein trauriger Anblick. Doch auf dem sich selbst überlassenen Grundstück lauert eine Gefahr, die sich von der Straße aus kaum erahnen lässt.
Am Turbinenhaus wurden mehrere Baugitter vor möglichen Zugängen platziert und behelfsmäßig zu Stromzäunen umfunktioniert. 220 Volt - das entspricht etwa der Spannung, die in jedem Haushalt an den Steckdosen anliegen - sollen sie Neugierigen den Eintritt verwehren. Zwei mit solchen Stromgittern gesicherte Fenster, befinden sich zudem direkt neben dem Böllberger Wehr, an dem die Wildwasserkanuten des Böllberger SV trainieren. Sie sind von der Wasserseite aus in nur wenigen Schritten zu erreichen.
Zerlöcherter Grundstückszaun
Aber auch von der Landseite aus ist der Mühlenkomplex ähnlich abgesichert. Und der zerlöcherte Grundstückszaun direkt an der Straße hindert Kinder kaum daran, das Grundstück zu betreten und mit dem gefährlichen Stromgitter in Berührung zu kommen. Warnschilder? Fehlanzeige.
Solch improvisierte Stromzäune bergen das Risiko ernsthafter Verletzungen: „Kommt man mit einer derartigen Stromquelle in Kontakt, kann dies zum Beispiel zu Herzrhythmusstörungen führen. Handelt es sich um Wechselstrom, tritt unter Umständen ein Kammerflimmern auf“, erklärt Steffen Edner, Oberarzt und ärztlicher Leiter der zentralen Notaufnahme im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara. Das Errichten von Stromzäunen ist generell nicht verboten. Laut Rechtsanwalt Eyck Zimmermann müssen Elektrozaunanlagen jedoch so errichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht.
Keine mechanische Gefahr
„Die Anlagen müssen sich so weit wie möglich außerhalb der Reichweite von Kindern befinden und sie dürfen keiner mechanischen Gefahr oder einer unbefugten Handlung ausgesetzt sein“, so Zimmermann. In der Nähe von Verkehrswegen ist zusätzlich eine Kennzeichnung erforderlich. Im Falle eines Unfalls hafte der Eigentümer, es drohten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Auch strafrechtliche Konsequenzen seien denkbar.
Errichtet worden sind die Elektrozaunvorrichtungen vom Grundstückseigentümer Karl Josef Thiemeyer. „Ohne Strom würde dort am laufenden Band eingebrochen werden“, erklärt der Landwirt aus Nordrhein-Westfalen. Auch eine Videokamera hat er deshalb vor dem Eingang des Mühlengebäudes installiert. Thiemeyer sieht darin die einzige Möglichkeit, sein Eigentum zu schützen. Auf dem restlichen Gelände wurden nach seinen Angaben bereits „tonnenweise Schrott“ geklaut. Täter seien nicht ermittelt worden. Die Polizei bestätigte eine unaufgeklärte Anzeige aus dem Jahr 2014. Damals sei eine Tonne Altmetall geklaut worden.
Ungewöhnliche Sicherungsmaßnahme
Auf MZ-Anfrage wollte sich die Stadt zu den ungewöhnlichen Sicherungsmaßnahmen zunächst nicht äußern. Mann wolle den Sachverhalt zuvor prüfen, hieß es.
2008 hatte Thiemeyer die Gebäude gekauft. Sein Plan, aus dem direkt an der Saale befindlichen ehemaligen Turbinenhaus ein Wasserkraftwerk zu machen, liegt seit einiger Zeit auf Eis. „Ein Atomkraftwerk zu bauen ist einfacher“, erklärt der Eigentümer zynisch. Seit der letzten baulichen Maßnahme im Dezember 2013 ist nicht viel passiert. Noch fehlen die erforderlichen Genehmigungen vom Landesverwaltungsamt.
Die Behörde prüft derzeit unter anderem, ob die geplante Wasserkraftanlage den Trainings- und Wettkampfstandort der Kanusportler am Wehr gefährden würde. „Die erforderlichen Untersuchungen, insbesondere der in Betracht gezogenen technischen Lösungen für die notwendige Wehr-Umgestaltung, erweisen sich als sehr zeitaufwendig. Im Grundsatz besteht auf beiden Seiten das Interesse an einer einvernehmlichen Lösung“, sagt Gabriele Staedter vom Landesverwaltungsamt. Thiemeyer kann sich in ferner Zukunft auch vorstellen, in den anderen Gebäuden Loft-Wohnungen auszubauen. Doch das Wasserkraftwerk hat oberste Priorität. (mz)