Besuch der Bundesarbeitsministerin in der Saalestadt Besuch der Bundesarbeitsministerin in der Saalestadt: Nahles und der Mindestlohn

Halle (Saale) - Minister-Besuch in Halle: Zur Hundert-Tage-Marke des branchenübergreifenden Mindestlohns hat sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bei zwei halleschen Unternehmen über die bisherigen Erfahrungen mit dem Gesetz informiert. „Als Zwischenfazit können wir sagen, der Mindestlohn läuft“, sagte Nahles bei den Besuchen der Gebäudereinigungs-Firma Herrmann und Tallig und der Firma Franz-Kurier. Der Mindestverdienst von 8,50 Euro war eines der großen SPD-Versprechen zur Bundestagswahl 2013 gewesen, Kritiker hatten vor Entlassungswellen und Konjunktur-Einbrüchen in Ostdeutschland gewarnt.
Die düsteren Prognosen hätten sich nicht bewahrheitet, sagt Günter Herrmann, Geschäftsführer der halleschen Gebäudereinigungsfirma, die mit 850 Mitarbeitern zu den Großen der Branche gehört. Trotz nötiger Preiserhöhungen seien 99 Prozent der Kunden dem Unternehmen treu geblieben. Die Personalkosten liegen nun monatlich etwa 25.000 Euro höher. „Die Anpassung fiel uns nicht besonders schwer“, sagte der Geschäftsführer.
IHK fordert Absenkung der Gehaltsobergrenze
Herrmann und die Kaufmännische Leiterin, Sandra Degner, monierten jedoch den immensen Dokumentations-Aufwand, zu dem die Unternehmen seit Einführung des Mindestlohns verpflichtet sind. Dabei muss für alle Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt bis 2.998 Euro nachgewiesen werden, wie viele Arbeitsstunden diese tatsächlich geleistet haben. Das soll verhindern, dass Angestellte durch eine heimliche Kürzung der Arbeitszeit de facto unter den Mindestlohn rutschen. „Wir müssen diese Dokumentationen nun für 98 Prozent unserer 850 Mitarbeiter vornehmen. Das ist ein Mehraufwand, den wir sehr kritisch sehen“, sagte Degner. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) fordern deshalb für die Dokumentationspflicht eine Absenkung der Gehaltsobergrenze auf 1.900 Euro. „Heute frage ich nach der Sinnhaftigkeit der derzeitigen Regelung“, sagte Herrmann.
Ende April tagt der Koalitions-Ausschuss
Nahles sagte zur Dokumentationspflicht, dass diese unstrittig ein Zusatzaufwand sei, dennoch sehe sie bisher „keinen Grund, an dem Mindestlohn-Gesetz etwas zu ändern“. Am 24. April werde die Umsetzung des neuen Gesetzes im Koalitionsausschuss auf den Prüfstand gestellt.
Der von den Wirtschaftsverbänden prophezeite großflächige Stellenabbau durch Einführung des Mindestlohns scheint indes in Halle und der Region zunächst ausgeblieben zu sein. Nach Einschätzung der IHK Halle-Dessau, die Firmen im Süden Sachsen-Anhalts vertritt, ist dies aber nur auf den Wirtschaftsboom aufgrund von Euro-Schwäche und niedrigem Zinsniveau zurückzuführen. Laut Pressesprecher Christof Altmann werde sich die Kostensteigerung durch den Mindestlohn erst zeitverzögert auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Einnahmen der Firmen auswirken. „Bei mehr als 61.000 der in unseren Mitgliedsbetrieben beschäftigten 407.000 Arbeitnehmer ist der Lohn direkt erhöht worden“, sagte Altmann. „Im Gastgewerbe sind es fast die Hälfte der mehr als 10.000 Beschäftigten.“ (mz)
