Ausgrabungen am Markt Ausgrabungen am Markt: Turm-Mauern jetzt sichtbar
Halle/MZ. - Noch ist die Fläche, auf dem der neue Kaufhof-Bau am Markt entstehen soll, in den Händen der Archäologen. Mit Spitzhacke, Schaufel und Hammer sind sie bis etwa Mitte Mai dabei, bis zum Baubeginn die Reste des alten Waage-Gebäudes sowie darunter liegende Schichten freizulegen und durch Dokumentieren vor dem Vergessen zu bewahren.
Begleitet werden die Arbeiten des Grabungsleiters Ulf Ickerodt und seiner Mitarbeiter von den Blicken zahlreicher Passanten, die über den Bauzaun hinweg nicht mit Vermutungen sparen. Blieb ihnen bisher der Einblick wegen des geschlossenen Zauns verwehrt, liegt ihnen nun, ebenso wie den Archäologen selbst, ein gehöriges Stück mittelalterliche hallesche Geschichte zu Füßen. "Wir haben jetzt die kompletten Grundmauern des Turmes, der sich im alten Waagegebäude befand, freigelegt", erklärt Ulf Ickerodt, der die Grabungen an der Nordostecke leitet.
Bei den Arbeiten stießen die Archäologen auf die auch für damalige Zeiten ungewöhnlich dicken Mauern - drei Meter sind diese stark. "Die Dicke hat seinen Grund", erklärt Ickerodt. "Der Turm wurde früher als Archivturm genutzt, und da es keine brandschutz-technische Sicherung gab, schützten stärkere Mauern die städtischen Unterlagen vor der Vernichtung durch Feuer oder Wasser."
Erbaut wurde der Turm, der vor dem Bau des heutigen Roten Turmes "rother Thurm" genannt wurde, im Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts. Gut erkennbar ist nun, nachdem die Ausgrabungsarbeiten auf diesem Areal ihrem Ende entgegen gehen, die quadratische Grundform des später auch als Gerichtsstätte genutzten Turmes. Um diesen wurde nach dem Abriss der alten, hölzernen Waage 1573 ein Gebäude - die spätere Waage - gemauert, wodurch der Turm nach außen nicht mehr sichtbar war. "Wir hoffen nun, noch Reste des ersten Waage-Gebäudes zu finden, das etwa um 1341 aus Holz erbaut wurde", so der Archäologe. Um den guterhaltenen Fund auch nach dem Ende der Grabungen noch betrachten zu können, soll Ickerodt zufolge in dem Kaufhof-Neubau ein Stück Glas im Fußboden den Blick auf die Grundmauern freigeben.
Noch aber wird gegraben, notiert und festgehalten. Die Eckdaten eines Kastenbrunnens aus dem Mittelalter beispielsweise, an dem Sabine Bauermeister Proben für eine dendrologische Untersuchung sichert. Mit dieser wird das genaue Alter der Holz-Pfosten und damit annähernd des Brunnens bestimmt. Während das Grabungsgeschehen auf dem Markt für Zuschauer recht spektakulär ist, sind die Archäologen auf einem zweiten Feld in der Rathausstraße/Ecke Brüderstraße ebenfalls dabei, Funde zu bergen. "Wir sind vermutlich auf eine mittelalterliche Latrine gestoßen", erklärt Matthias Elbert, der ein gut erhaltenes, freigelegtes Weidengeflecht ausmisst. Nebenan sind Mitarbeiter dabei, einzelne Scherben eines spätmittelalterlichen Tongefäßes behutsam von Erde und Steinen zu befreien.
In den nächsten Tagen können einzelne archäologische Funde in einem Schaukasten am Markt begutachtet und der Grabungsablauf an Hand von Schautafeln nachvollzogen werden.