Asyl in Halle-Nietleben Anwohner sind empört über neue Einrichtung mit 16 Plätzen in Halle. Staatssekretärin ist schockiert über Reaktionen.
Halle (Saale) - In Sachsen-Anhalt hat die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge stark zugenommen. Aktuell leben hier nach Angaben des Landes-Sozialministeriums 1 022 dieser Flüchtlingskinder. Vor einem Jahr waren es nur einige Dutzend. Grund des Anstiegs ist eine neue Verteilung auf die Bundesländer. Die Unterbringung der Flüchtlingskinder stößt derweil auf Widerstand. In Halle-Nietleben haben entsprechende Pläne zu wüsten Anwohnerreaktionen geführt. In dem Ortsteil mit gut 2 600 Einwohnern sollen 16 minderjährige Flüchtlinge unterkommen.
Anwohner haben Angst vor Gewalt und Belästigung
Bei einer Informationsveranstaltung hatten Anwohner Befürchtungen geäußert, es könne zu Gewalt und Belästigung durch die Flüchtlingskinder kommen. „Wissen Sie, ob die nicht auf mich losgehen?“, sagte eine Anwohnerin. Eine andere äußerte die Vermutung, da kämen „13-Jährige, die Frauen vergewaltigen“.
Die Flüchtlingskinder sollen ab Mai in einem leerstehenden Gebäude in Nietleben unterkommen. Die Einrichtung soll vom Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes getragen werden. Zwei Sozialarbeiter und sechs Erzieher sollen die Kinder und Jugendlichen rund um die Uhr betreuen. Es handelt sich um eine sogenannte „Clearingstelle“. Dort soll etwa festgestellt werden, ob es Verwandte in Deutschland gibt - nach sechs bis acht Wochen werden die Kinder dann weiter verteilt. Meist in ein reguläres Heim.
"Wo sind wir hingekommen in Deutschland?“
Die für die landesweite Verteilung der minderjährigen Flüchtlinge zuständige Sozialstaatssekretärin Anja Naumann (SPD) zeigte sich schockiert von den Anwohner-Reaktionen. Es kämen im Regelfall 14- bis 18-jährige männliche Jugendliche, die natürlich wie deutsche Jugendliche auch pubertierten. „Aber man kann doch nicht jedem, der von außen zu uns kommt unterstellen, dass er ein Vergewaltiger ist. Wo sind wir hingekommen in Deutschland?“, zeigte sich Naumann schockiert.
Bei der Anwohnerkritik handele es sich „um Ängste, die nicht durch Tatsachen belegbar“ seien. Sie kenne nur ein Beispiel, wo es Ärger mit Flüchtlingskindern gab. „Das war, glaube ich, im Mansfelder Land. Da hatten die einen Hungerstreik gemacht, weil sie dort nicht bleiben wollten.“
Für die Vorbehalte gegen die Flüchtlinge macht sie Medienberichte verantwortlich. Nach den Vorfällen der Silvesternacht in Köln, wo Frauen von jungen Migranten belästigt wurden, sei das Bild verzerrt.
Versuche, die Situation zu entspannen
Der Anstieg der Zahl der Flüchtlingskinder geht darauf zurück, dass sie seit vergangenem November bundesweit verteilt werden. Vorher blieben sie in dem Bundesland, in dem sie angekommen waren. In Nietleben gibt es nun auch Versuche, die Situation zu entspannen. Mathias Nobel, Betreiber eines Seebades, zeigte sich „erschüttert und erbost“. „Wie sich manche Einwohner meines Stadtteils benehmen, macht mich wütend. Die meckern nur und warten nicht mal ab, was denn wirklich passiert. Das macht mich etwas fassungslos“, sagte er der MZ. Er habe sich schon mit dem Heimatverein in Nietleben abgestimmt und vereinbart, „dass wir für die Kinder und Jugendlichen Sport- und Freizeitangebote anbieten wollen“. (mz)