MZ-Serie zum Anschlag von Halle - Teil 6 Mit Video: Anschlagsopfer Jana: „Sie hatte ein reines Herz“
Zur falschen Zeit am falschen Ort - die 40-jährige Jana Lange aus Halle war das erste Opfer des Attentats von Halle. Ihr Tod hatte neben Freunden auch Schlagerstars bestürzt.
Halle (Saale)/MZ - Wann immer Jana Lange ihren Lieblings-Schlagersängern hinterher reiste, um in der ersten Reihe ein Autogramm zu ergattern, durfte ein Plakat nicht fehlen. „Liebe Anna-Carina und Stefan, Riesenfan Jana, Halle, freut sich über das Wiedersehen. Möge das Leben euch beiden nur schöne Momente schenken“, schrieb sie auf einem Konzert von Anna-Carina Woitschack und Stefan Mross kurz vor dem Anschlag.
Jana Lange war das erste Opfer, das der rechtsradikale Täter in Halle vor der Synagoge erschoss, bevor er zum Kiez-Döner in der Ludwig-Wucherer-Straße fuhr und dort Kevin Schwarze aus Merseburg tötete. Freunde und Bekannte sowie Sänger, deren Konzerte die Hallenserin regelmäßig besuchte, waren fassungslos.
Einen Tag nach der Bluttat hatten sich am Tatort vor der Synagoge in der Humboldtstraße Hunderte Anwohner, Trauernde und Journalisten versammelt. In der Menge stachen drei Frauen besonders hervor. Sie weinten, blieben vor dem Blumenmeer stehen und drückten sich.
Anschlagsopgfer Jana L.: Autogramme zu sammeln, war ihre Leidenschaft
Es waren Bekannte von Jana Lange, die mit den Worten rangen. „Sie hatte ein reines Herz, war lebensfroh, freundlich. Sie konnte niemandem etwas antun“, sagte eine der Frauen. „Autogramme zu sammeln, war ihre Leidenschaft. Jana war immer in der ersten Reihe.“
Am Tattag sei sie schlicht und ergreifend zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sie sei wohl von der Straßenbahnhaltestelle am Wasserturm auf dem Weg nach Hause gewesen, sagten die Frauen. Jana Lange wurde 40 Jahre alt, war unverheiratet und hatte keine Kinder.
Der Amoklauf in Halle hat uns unseren treusten Fan aus Halle genommen.
Anna-Carina Woitschack
„Riesenfan Jana, Halle“. Ihre Leidenschaft war das Sammeln von Autogrammen - aber nicht nur das. „Es gibt viele, die vor allem das Autogramm an sich wollen, so wie ich“, sagte Christoph Kräupziger, der ebenfalls Jana Langes Hobby teilt und sie kannte.
Jana Lange aus Halle: Sie war glücklich und voller Lebensenergie
„Jana war da anders. Sie reiste vor allem wegen der Stars mit, manchmal fünf, sechs Stunden. Sie war ein richtiger Fan, immer bedacht, in die erste Reihe zu kommen“, sagte er. Der Schlager sei ihr Ding gewesen. „Das letzte Mal hatten wir uns bei Linda Feller im Einkaufszentrum HEP getroffen. Sie hat immer viel mit uns gewartet, das gehört bei diesem Hobby mit dazu.“
In der eingeschworenen Gemeinschaft der Autogrammjäger aus Halle und der Umgebung habe sie sich wohlgefühlt. Beim gemeinsamen Warten auf die Stars habe man sich natürlich auch über Privates unterhalten. „Sie war sehr lieb und nett, in ihrer Art quirlig“, sagte Kräupziger. „Auf einmal ist sie nicht mehr da. Sie fehlt mir.“
Auch die Schlagerwelt trauerte um ihren Fan Jana aus Halle
Wie sehr Jana Lange mit ihren Plakaten auch bei den Künstlern auffiel, zeigten die Reaktionen in der Musikwelt. „Der Amoklauf in Halle hat uns unseren treusten Fan aus Halle genommen. Lebensfreude, Musikfan und treuer Anhänger unserer Schlagermusik, das war Janas Leben“, schrieb die Schlagersängerin Anna-Carina Woitschack auf Instagram unter einem Bild, das die beiden Frauen mit dem Plakat zeigt.
„Wir haben sie noch begeistert vor zwei Tagen bei einer TV-Aufzeichnung in Leipzig getroffen. Glücklich und voller Lebensenergie.“
Auch die Saxofonistin Kathrin Eipert aus Brehna trauerte und veröffentlichte ein Bild, das Jana Lange mit einem Plakat zeigte: „Liebe Kathrin, Riesenfan Jana freut sich über Wiedersehen“, ist auf diesem zu lesen. Ein Wiedersehen gab es nicht mehr.
Dabei hatte Jana Lange noch viele Autogramme vor sich. Um 9.47 Uhr, knapp zwei Stunden bevor sie ermordet wurde, teilte sie am 9. Oktober im Internet einen Artikel über eine neue Zugverbindung, mit der es von Halle besonders günstig nach Berlin ging. Zum nächsten Treffen mit den Stars.
MZ-Serie: Der Anschlag vom 9. Oktober und seine Folgen
Vor vier Jahren richtete ein rechtsextremer Täter aus Judenhass in Halle und dem Saalekreis ein Blutbad an, bei dem zwei Menschen starben. In einer elfteiligen Serie der MZ und des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt (Lamsa) lässt die MZ bis zum 7. Oktober Zeitzeugen zu Wort kommen. Ob und wie hat der Anschlag die Stadt verändert?
- Wunde, die nie heilt: Zeitzeugen sprechen über Terror am 9. Oktober in Halle
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Mit großen Bodenaufklebern wird die Serie begleitet. Fünf sind bereits zu finden: an der Synagoge, am Tekiez in der Ludwig-Wucherer-Straße, am Steintor, am Hauptbahnhof und auf dem Riebeckplatz. Auf die Aufkleber ist ein QR-Code gedruckt.
Passanten, die ihn mit dem Handy scannen, sehen kurze Videos, in denen die Zeitzeugen ihre Erlebnisse am und um den 9. Oktober schildern. Der Aufkleber zum sechsten Teil wird in der oberen Leipziger Straße aufgebracht. Pro Tag kommt ein weiterer hinzu, auch in Merseburg auf dem Entenplan.
Im siebten Teil der Serie geht es um junge Menschen und ihr Tagebuch der Gefühle.