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"Eine starke Frau" Anschlag Halle Saale: Opfer Jana L. - ihre Chöre erinnern an sie

Von Silvia Zöller 18.10.2019, 23:03
Das war es, was Jana L. (vierte von links) mit Freude erfüllt hat: Singen im Chor „Missklang“. Sie hat noch in einem weiteren Chor  gesungen.
Das war es, was Jana L. (vierte von links) mit Freude erfüllt hat: Singen im Chor „Missklang“. Sie hat noch in einem weiteren Chor  gesungen. Chor Missklang

Halle (Saale) - Musik war ihr Leben: Nicht nur, wenn sie ihren Schlager-Idolen wie Anna-Carina Woitschack oder Linda Feller hinterherfuhr und bei Konzerten um Autogramme bat. Vielmehr war Jana L., die bei dem Anschlag vom 9. Oktober vor der Synagoge von einem rechtsradikalen Täter erschossen wurde, auch selbst in Sachen Musik aktiv.

In den beiden Chören, in denen die 40-Jährige viele Jahre gesungen hat, herrscht große Trauer. „Wir verabscheuen, was passiert ist und denken auch an die Betroffenen im Umfeld der Taten“, sagt Viola Rieck, die die beiden Chöre „Missklang“ und „Klangwunder“ leitet. Die Musik, für die die beiden Chöre stehen, sei ein Zeichen des Respekts und der Toleranz.

Chomitglieder erinnern an Terroropfer Jana L.

Auch am Donnerstagabend, acht Tage nach der schrecklichen Tat und bei der ersten Chorprobe nach dem Tod ihrer Mitsängerin, haben die Sängerinnen das Geschehene noch nicht verarbeitet. „Jana war immer so sehr freundlich. Das Klischee der Autogrammjägerin ist einfach nicht richtig“, sagt eine der Frauen. Jana war eine starke Frau, die immer hilfsbereit war, kommunikativ, organisiert. Typisch für die sympathische Hallenserin war ihr Rucksack, an dem immer eine gewisse Anzahl kleiner Plüschtiere hingen.

Für den Chor übernahm sie gerne Aufgaben, wie die Chormappen zu sortieren oder auch Fotos von Auftritten zu machen. „Und an Silvester war immer Frieden statt Knallerei für sie angesagt“, berichtet Viola Rieck. Jedes Jahr verbrachte sie den Jahreswechsel auf einer Freizeit in der ökumenischen Taizé-Gemeinschaft in Frankreich - und so kamen auch die spirituellen Lieder der christlichen Gemeinschaft in das internationale Repertoire „ihrer“ beiden Chöre.

Freundinnen berichten: Jana L. war eine starke Frau

Erfahren haben die Sängerinnen vom Tod ihrer Freundin über einen Anruf. „Eine unserer Mitsängerinnen hatte mich am Mittwochabend angerufen und gesagt, dass ihr Sohn das Tätervideo gesehen hat“, sagt Viola Rieck. In dem Video ist Jana L. klar zu erkennen. Per Mail teilte sie die bestürzende Nachricht den Chorsängerinnen mit. Kaum eine der Frauen konnte es fassen: „Ich bin wie ein Zombie durch die Stadt gelaufen“, sagt eine der Sängerinnen. Für eine andere kommt aber neben der Trauer noch etwas anderes hoch. Scham. „Halle steht mit diesem Anschlag negativ in den Medien.“

Die Sängerinnen diskutieren auch, wie die Tat abgelaufen ist: Jana L. hatte den Täter angesprochen. Sie sei impulsiv gewesen. Und eben eine starke Frau. Das, was sie gesehen hat, muss sie so sehr empört haben, dass sie einfach etwas tun musste. „Es ist eine Frechheit, aus der Ferne zu urteilen und zu fragen, was Jana da gemacht hat“, sagt Viola Rieck. Soll man, wenn man eine Straftat sieht, einfach wegsehen und weglaufen?

Chöre singen für ihre Freundin Jana

Die Chorprobe am vergangenen Donnerstag ist ausgefallen. Stattdessen haben die Sängerinnen an dem Trauermarsch teilgenommen und anschließend in ihrem Proberaum Lieder für Jana L. gesungen - darunter auch Taizé-Lieder. Und den Gospel „I surrender all to Jesus“ („Ich gebe die Macht über mein Leben an Jesus“). Bei dem Gedenkkonzert am Samstag, 19. Oktober, auf dem Markt ist der Chor „Missklang“ in das Programm eingebunden. (mz)

Auch vor dem Haus, in dem Jana L. im Paulusviertel gewohnt hat, haben Trauernde Blumen und Kerzen abgelegt.
Auch vor dem Haus, in dem Jana L. im Paulusviertel gewohnt hat, haben Trauernde Blumen und Kerzen abgelegt.
Zöller