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  7. Alligatoah in Halle: Ein Rapper mit Metamorphose

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Alligatoah-Konzert  auf der Peißnitz in Halle Von Regen bis Rock: Alligatoahs spektakulärer Auftritt in Halle

Auf der Peißnitzinsel in Halle liefert Alligatoah ein packendes Konzert. Mit neuen Songs, Ironie und gesellschaftskritischen Themen schafft er es, das Publikum trotz Regen und Schlamm zu fesseln.

Von Mathias Schulze Aktualisiert: 29.07.2024, 12:50
Pelzmantel über Trainingshose und Rollkragenpulli: Lukas Strobel alias Alligatoah rappt auf der Freilichtbühne der Peißnitzinsel in Halle.
Pelzmantel über Trainingshose und Rollkragenpulli: Lukas Strobel alias Alligatoah rappt auf der Freilichtbühne der Peißnitzinsel in Halle. (Foto: Denny Kleindienst)

Halle/MZ. - „Ich geh zum Baggersee / Mit meinem Sixpack / Und ich sau, sau, sauge das Bier weg“. Als am Samstag kurz nach 19 Uhr die Band „The Butcher Sisters“ zum Vorglühen bittet, ist der Rahmen für Alligatoah mit Hip-Hop, Rap und Metal, mit Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung beherzt abgesteckt. Nur der Wettergott hat etwas anderes vor.

Ein feiner Dauerregen, Regencapes statt Bikinis, die Wiese vor der ausverkauften Freilichtbühne ist schlammig, die Dächer der Imbiss-Buden sind als Unterstand beliebt. Woodstock-Gefühle mit Backfisch-Geruch. „Ärgerlich mit dem Regen. Ich hatte auf Hagel gehofft!“, wird Alligatoah, Niedersachse des Jahrgangs 1989, später ins Publikum raunen. Doch der Reihe nach.

Alligatoah in Halle: Das Konzert beginnt im Regen

Ende letzten Jahres zeigte Lukas Strobel, so der bürgerliche Name des Künstlers, dass er das digitale Erregungsspiel beherrscht. Nach seiner „Retour“-Tournee wurden die Inhalte auf seinen Social-Media-Kanälen gelöscht, eine Ansage sorgte für wilde Spekulationen: „Alligatoah war ein deutschsprachiger Musiker (1989-2023).“

Das schien das Ende seiner spaßigen Videos, die auch durch allerlei Übertreibungen ihren ernsten gesellschaftlichen Kern nicht verleugnen können. Sollten die theatralen Bühnenshows, die zwischen sarkastischem Poetry-Slam, kreativem Hip-Hop und rockigen Rollenspielen pendeln, nun Vergangenheit sein? Weit gefehlt! Alligatoah kündigte nur eine künstlerische Metamorphose an.

Einblicke in die moderne Arbeitswelt

Das neue Konzept war in Halle zu erleben: Ein Telefon klingelt, gegen 20 Uhr fällt einer von der Decke auf die Bühne – mitten hinein ins Großraumbüro mit Pflanzen und Schreibtischen, Aktenordnern und Monitoren, Kaffeetassen und Bürostühlen.

Willkommen in der modernen Arbeitswelt, im Hamsterrad, das einen Ausblick auf immer noch mehr Großstadtbüros jenseits des Bühnenfensters bot. Alligatoah – rote Jogginghose, roter Rollkragenpulli, Oberlippenbart, Pelzmantel und Bärentatzenschuhe – rappelt sich: „Überraschung, ich bin doch nicht für eure Sünden gestorben!“

Kritik an der Geschäftswelt

Eröffnet wird mit Metal, mit Geschrei und Wut. „Ich dreh die alten Alben meiner Helden hinterm Mond auf / So laut, no doubt / Es ist nur ein Moment, Ment / Der mich vom Trend trennt“, heißt es im Song „So raus“ vom neuen Album „Off“.

Eine Verweigerung des Zeitgeistes, ein Zurück zum Stil der Helden der Jugend, zur Metal-Band „Limp Bizkit“, zur Punk-Band „The Offspring“, zur Rock-Band „Guano Apes“. Hier hat jemand genug von permanenter Selbstoptimierung.

Das Publikum macht das Konzert unvergesslich

Ein 34-Jähriger, der betont, dass er die Digitalisierung und den Wandel der Moden nicht mehr versteht und trotzdem kräftig mitmischt? Na, was soll da erst die Elterngeneration sagen?

Alligatoah verkündet seine bevorzugte Therapie-Form: „Es gibt einen Grund, warum ich vom Mond zurückkomme: Sachbeschädigung!“ Also wird das Büro auf der Bühne verwüstet, da fliegen die Ordner und Paragrafen, die auf dem juristischen Markt hin und her gedreht werden können. Dann fliegt etwas zurück, Alligatoah cool: „Ich dachte, es wäre ein Schuh, aber es ist nur eine Handgranate. Das ist okay!“

Hits, die das Konzert abrunden

Verschrottet wird hier die Doppelmoral der Geschäftswelt, zwischendrin zückt man ein Maschinengewehr. Ja, die Wut – worauf eigentlich genau? – muss raus! Alligatoah ist ein Künstler, der seine Heavy-Metal-Anleihen, seine heulenden Hardrock-Gitarren erklären möchte: „Wir spielen heute ein Spiel: Wie viele neue Songs haltet ihr aus, bis endlich die Hits kommen?“

Alligatoah ist ein Künstler, der den Kritikern den Stift führt: „Was mache ich für ein Genre? Eine Mischung aus Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll. Wobei Rock ’n’ Roll nicht so wichtig ist!“ Alligatoah ist aber auch ein Künstler, der mit seiner Dauer-Ironie Gefahr läuft, sich der Substanzlosigkeit auszuliefern.

Das Publikum steigt ein

Hier helfen die Fans. Mit ihrem Tanzen und Pogen, mit ihrem textsicheren Gesang und den „Nazis raus“-Chören schenken sie dem Konzert etwas, das dem exzessiven Theaterspiel auf der Bühne in Teilen fehlt: Eine breite Emotionalität, eine konkrete und verbindende Haltung.

Es ist das Publikum, das seine Songs wie „Lass liegen“, „Du bist schön“ oder „Musik ist keine Lösung“ zu dem machen, was sie sind: Eine Abrechnung mit dem umweltzerstörenden Konsumverhalten der Europäer, eine Kritik am Schönheitswahn und ein Plädoyer für den Weltfrieden.

Und seine Hits kommen natürlich auch noch zielsicher: „Ein Problem mit Alkohol“, „Monet“, „Willst du“ oder „Partner in Crime“, das Alligatoah allein am Klavier spielt – romantische Einblicke inklusive.