Wohnhausbrand Wohnhausbrand: Das Wunder in der Birkenallee

rosslau/MZ - Die Meldung aus der Polizeidirektion kam Freitagabend: Fahrlässige Brandstiftung hat zu dem Feuer geführt, das in der Nacht zum Donnerstag die Menschen im Roßlauer Birkenallee in Angst und Schrecken versetzte. Der Brand in dem Mehrfamilienhaus wurde offensichtlich durch pyrotechnische Erzeugnisse verursacht, die einen Balkon in Brand setzten, von dem das Feuer auf den Dachstuhl übergriff, so die bisherigen Erkenntnisse der Brandursachenermittler. Die Feuersbrunst hatte dann gewütet in lauschiger Wohnlage am Stadtrand auf dem einstigen Garnisonsgelände.
Ein Knall vor Mitternacht
Am Freitag sammeln sich vor und hinter dem Haus in der Birkenallee Männer und Frauen, Betroffene und Nachbarn. Schütteln ungläubig die Köpfe. Die haben sie in den Nacken gelegt. Und in die Netzhaut hat sich ein Schreckensbild gebrannt von geborstenem Gebälk, völlig pulverisiertem Dach, verkohltem Holz und Dämmwolle. „Waren wir da wirklich drin?“
Im Dachstuhlbereich eines viergeschossigen Hauses mit drei Eingängen war im Mitteltrakt (Hausnummer 6) das Feuer ausgebrochen. In tiefster Nacht, kurz nach drei Uhr. Zwei Anwohner erinnern sich an einen lauten Knall noch vor Mitternacht. Die Ursache ist nicht auszumachen. Es zieht wieder Ruhe ein. Trügerische Ruhe. Michael Höhne aus dem ersten Obergeschoss der direkt betroffenen Nr. 6 und Hans-Peter Stephan aus der benachbarten Nr. 4 haben beide ihre Schlafzimmer „nach hinten raus“, nehmen aber auch dort ungewöhnliche Betriebsamkeit wahr, hören energische Stimmen. Sehen über sich erste Rauchwolken. Und dann vorn an der Straßenfront der Birkenallee die zahlreichen Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge unter unablässigem Blaulicht-Gefunkel.
„Dann lief alles ganz professionell und mustergültig“, nicken sich die beiden Männer zu: Inzwischen hatten sich die meisten Anwohner aus Nr. 6. schon vor dem Haus versammelt, die Feuerwehrleute evakuierten das Gebäude mit den 19 Mietparteien komplett. Die Kameraden hätten sich ganz vorbildlich um die Betroffenen gekümmert: diese schnellstmöglich in Sicherheit gebracht, aber mit großer Ruhe keine Panik aufkommen lassen.
„Für die Betroffenen war ein Arzt und Psychologe da, dann sogar der Bus, um die Ausgebrannten in die Notunterkünfte zu bringen“, loben Höhne und Stephan insbesondere die Freiwilligen Feuerwehren. „Die Roßlauer waren zuerst da, dann kamen die Nachbarn aus Rodleben, Meinsdorf und Mühlstedt. Und aus Dessau die Berufsfeuerwehr und die Freiwilligen aus Mildensee und Waldersee. Einfach Klasse.“
Die Feuerwehr alarmiert hatte eine der Nachbarinnen mit ganz leichtem Schlaf, die wohl zuerst das verdächtige Knistern vernommen hatte. Dazu kam, dass eine Bewohnerin gerade spät von der Arbeit nach Hause kam und die Feuerwehr alarmierte. „Die beiden Frauen haben uns das Leben gerettet“, sind sich die Betroffenen am Tag danach einig.
So kamen Feuerwehr und Polizei zeitig genug zum Einsatzort. Um Schlimmeres zu verhindern. Um das Schlimmste zu verhindern. Die Polizei klingelte sofort auch die Anwohner aus den Nachbarhäusern 4 und 8 aus den Betten. Und so sahen die Männer und Frauen im Nachthimmel, wie sich das Feuer durch das Dach fraß. Und wie es stoppte an der Brandmauer, die beim Neubau 1996/97 zwischen mittlerem und äußerem Gebäudetrakt gezogen wurde. Diese starken Betonwände verhinderten neben der Brandbekämpfung von außen mit Drehleiter der FF Roßlau und Hubsteiger der Berufsfeuerwehr ein Übergreifen des Feuers.
Hilfe für die Betroffenen
Die Schreckensnacht hat auch ihre Spuren ins Gesicht von Carola Hoffmannbeck gegraben. „Wir haben so ein riesiges Glück, dass kein Mensch verletzt wurde.“ Der Frau obliegt die Hausverwaltung für die Wohnanlage mit den vermieteten Eigentumswohnungen. Nach der Evakuierung haben die Bewohner Notunterkünfte in Eigenregie gesucht oder fanden in Dessauer Hotels eine Bleibe im NH-Hotel in der Innenstadt oder im Days Inn an der Adria. An Heimkehr ist noch nicht zu denken, die Gefahr zu groß.
Die Hausverwalterin prüft auch Möglichkeiten in unmittelbarer Nähe, so in freien Wohnungen in den nicht betroffenen Hauseingängen 4 oder 8. „Sie bekommen bald wieder ein schönes Zuhause“, schließt die Frau mit dem blonden Dutt am Hinterkopf eine weinende Betroffene in die Arme. Deren Familie hatte ihr Heim an Flammen und Löschwasser verloren.
Zeugen gesucht
Die Polizei bittet nunmehr die Bevölkerung um Mithilfe: Wer hat in den späten Abendstunden des 8. Mai bzw. in der Nacht Beobachtungen gemacht zu Personen, die am Brandort mit Pyrotechnik hantiert haben? Zeugen melden sich im Polizeirevier Dessau-Roßlau unter Telefon 0340/2503-0.