1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Wohnblock Schillerstraße: Wohnblock Schillerstraße: Genossenschaft ist ein kleines Erfolgsmodell

Wohnblock Schillerstraße Wohnblock Schillerstraße: Genossenschaft ist ein kleines Erfolgsmodell

Von Thomas Steinberg 22.08.2017, 12:18
Der Wohnblock in der Schillerstraße erhält derzeit neue Balkone.
Der Wohnblock in der Schillerstraße erhält derzeit neue Balkone. Sebastian

Dessau - Unerwartet kam die Offerte keineswegs, lediglich der Zeitpunkt überraschte: Am 1. Februar 1997 wurde der Wohnblock Schillerstraße 19 bis 35 in Dessau-Nord zum Verkauf angeboten. Verkäuferin: Die Treuhandliegenschaftsgesellschaft, Verwalterin einstiger DDR-Immobilien. Den Bewohnern der 90 Wohnungen gelang danach ein echter Coup: In nur wenigen Wochen entwickelten sie einen Plan, gründeten eine eigene Genossenschaft und kauften ihr Haus.

Viele Mieter waren bei der NVA

Zwanzig Jahre später sitzen viele der Gründungsmitglieder im Kornhaus zusammen, um das Jubiläum zu feiern. Unter ihnen Dietmar Preßler aus dem Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Schillerstraße.

„Uns war unklar, wann der Verkauf passieren wird“, erinnert sich Preßler an die Stimmung im Haus vor 1997. Was fast alle Mieter des Fünfgeschossers einte, war ihre Vergangenheit bei ein und demselben Arbeitgeber – der Nationalen Volksarmee.

Kaum war das Angebot in der Welt, waren sich die Bewohner einig. Drei Leute fanden sich zusammen. Man holte einen Rechtsanwalt als Berater hinzu und gab die Parole aus: „Wir machen das selbst.“ Als die übrigen Mieter gefragt wurden, sagt Preßler, seien alle dafür gewesen.

Genossenschaft im Mai 1997 gegründet

Schon im Mai 1997 wurde die Genossenschaft gegründet, im Juli offiziell registriert. 100 000 Mark Eigenkapital wurden eingesammelt, ein paar Monate später das Haus mit Hilfe eines Bankkredits gekauft. Die Tatsache, dass man sich lange kannte und eine verbindende Gemeinsamkeit hatte, dürfte manches vereinfacht und beschleunigt haben. Und ein Gefühl, das Marco Schubert, seit Jahren Vorsitzender der Genossenschaft, bei seiner Rede im Kornhaus mit leiser Ironie so beschreibt: das Haus sollte nicht auch noch vom ehemaligen Klassenfeind übernommen werden.

Das wurde verhindert – und das Haus nach und nach auf moderne Standards saniert. „Ohne dabei die Mieten stark anzuheben“, betont Schubert. Von einer ersten Runderneuerung über eine Solarthermie-Anlage und die Fassadendämmung führte der Weg bis zum jüngsten Projekt: Derzeit werden die alten Balkone ausgetauscht - und auch jene Wohnungen, die bislang ohne auskommen mussten, werden demnächst Balkone erhalten.

Leerstand liegt bei einem Prozent

Schubert sieht die Genossenschaft gut gemanagt, nicht zuletzt dank einer professionellen Hausverwaltung, die von Anfang an dabei war und bei der Vermietung freier Wohnungen hilft. Der Leerstand liege bei gerade einmal einem Prozent, sagt Schubert. Und er streicht einen Vorteil der Genossenschaft, zumal einer übersichtlichen, heraus: Weil alle Miteigentümer sind, bückten sich die Leute auch mal, um herumliegenden Abfall aufzuheben.

Preßler stellt auch den besonderen Zusammenhalt der Wohngemeinschaft fest - den sich auch neuere Mieter zu eigen machen würden: Bei zwei Arbeitseinsätzen pro Jahr seien viele Bewohner ebenso dabei wie bei dem jährlichen gemeinsamen Tagesausflug. Oder eben bei der 20-Jahr-Feier im Kornhaus. (mz)

Im Kornhaus wurde an die Anfänge vor 20 Jahren erinnert.
Im Kornhaus wurde an die Anfänge vor 20 Jahren erinnert.
Sebastian