Gartenreich Feuer frei! Wörlitzer Vulkan vor dem Ausbruch
Ein denkmalgerechtes Verfahren macht es möglich: 230 Jahre nach seinem ersten Ausbruch wird der künstliche Wörlitzer Vulkan wieder Flammen spucken. Ein Fest für Tausende.
Wörlitz/MZ. - Unbedingt!, sagt Harald Meller. Und er hat recht. Auf die Frage, ob es sich denn lohne, an diesem Freitag oder Samstag (16. und 17. August) nach Wörlitz zu reisen, um nach Jahren wieder den Ausbruch des künstlichen Vulkans zu erleben – auch wenn man keines der begehrten Tickets ergattern konnte –, antwortet der amtierende Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz mit einem mehrfachen Ja.
Spektakuläre Eruption des Wörlitzer Vulkans im Gartenreich
Aus gutem Grund. Denn das, was da in Gang gesetzt werden soll, ist nicht selbstverständlich. Noch vor fünf Jahren war der Ofen aus im „Wunderfelsen“ an der Mittelelbe. Eine Stahlauswandung des Vulkankegels hatte bei dem Ausbruch vom August 2019 zu einer Art Düsenjägereffekt geführt: Die Feuersäule schoss doppelt so hoch hinaus wie üblich, die Hitze war enorm. Massive Schäden und Risse am Mauerwerk und an der Innenverkleidung waren die Folge.
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Wie die Ofenbauer
Schäden, die die damalige Leitung unter Brigitte Mang erst zögernd auf Nachfrage einräumte. Das Ergebnis? Künftig sollte Schluss sein mit dem Feuerzauber. Nur noch Licht- und Soundeffekte. Die MZ schrieb von der „Discokugel“, mit der wohl künftig zu rechnen sei.
Es passierte dann erst einmal gar nichts mehr – bis zum Führungswechsel im Gartenreich. Und dem Beseitigen der Schäden vor Ort. Etwas musste geschehen, aber was? „Wir waren alle der Meinung bei der Stiftung, dass der Ausbruch des Vulkans ein wichtiges Erlebnis ist“, sagt Harald Meller. „Wenn der jetzt so tot rumsteht, dann ist das nicht dienlich.“
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Der Landesarchäologe, der das Gartenreich kommissarisch führt, hat selbst mehrfach den Ausbruch erlebt, ein Ereignis, das ihn beeindruckt hatte. Zudem: Der inszenierte Ausbruch, sagt Meller, „war eigentlich als Event, als ein performatives Ereignis gedacht, das sollte man wieder in Gang bringen.“
Eine Event-Architektur, in der Tat. Mitte der 1790er Jahre am Ostrand der Wörlitzer Anlagen errichtet, diente der künstliche Vulkan als eine höfische „Festmaschine“.
Der Gartenreich-Schöpfer Fürst Franz gestaltete seine Reiseeindrücke vom Golf von Neapel nach, der ihn den Vesuv in Anhalt mauern ließ. (Bliebe die Frage: Was gilt als Neapel? Wittenberg oder Dessau?) Franz baute eine Vergnügungsarchitektur für den Hochadel. Die Herzöge von Weimar und Meiningen, der König von Preußen, sie alle konnten den kleinen Berg „sprudeln“ sehen, wie ein Zeitgenosse notierte. Drei Feuerwerkerei-Termine sind überliefert.
Ein technisches Meisterwerk: Die Restaurierung des Wörlitzer Vulkans
Nun soll es wieder losgehen. Mit echtem Feuer. „Wir haben eine technische Lösung gesucht, wie das gehen kann“, sagt Harald Meller. Und schließlich auch gefunden.
„Wir haben das diesmal so gemacht, wie Ofenbauer es auch machen. Wir haben unten einen kleinen Schamott-Ring gelegt, dann mit Lehmziegeln innen eine Hülle aufgebaut. Und Lehmziegel puffern unheimlich gut die Wärme.“ Mit Sensoren wurde gemessen, ob die Befeuerung zu Schäden führt. „Probeausbrüche in verschiedenen Graden“ fanden statt. Das Resultat laut Meller: Sehr gut.
Mit im Boot ist wieder der Cottbuser Professor und Pyrotechnik-Experte Wolfgang Spyra, der bereits die gelungenen Ausbrüche vor 2019 inszenierte, das Programm gestaltete der ehemalige Stiftungsmitarbeiter Uwe Quilitzsch. Ein Programm, das die Gäste von 15 Uhr an bei Laune hält – einschließlich der aufgeführten „Attitüden der Lady Hamilton“. Von 21 Uhr an heißt es: Feuer frei.
Feuerwerk und Historie: Der Wörlitzer Vulkan begeistert erneut
Es wird grummeln, grollen, knacken. Rauch in vielen Farben aufsteigen. Dass das Lichtspiel von verschiedenen Stellen des Gartens zu erleben sei, darauf verweist eigens die Kulturstiftung. Überhaupt gehe es darum, das Gartenreich stärker öffentlich sichtbar zu machen, sagt Harald Meller.
„Mich bewegt es, wenn Tausende Menschen die Ufer säumen. Ein Ereignis, das in unserer digitalen Welt ein ganz analoges Erlebnis erzeugt. Man staunt, man wundert sich und spürt, dass die Menschen im 18. Jahrhundert einen enormen Gestaltungswillen hatten.“
Diesem Gestaltungswillen widmet sich auch die öffentliche Jahrestagung der Dessau-Wörlitz-Kommission, die vom 22. bis 24. August im Wörlitzer Gasthof „Zum Eichenkranz“ unter dem Franz-Motto „Meinen Vorfahren“ Archäologie und Frühgeschichte im frühen Landschaftsgarten verhandelt. Vorträge und Exkursionen werden geboten.
Ab in den Garten
Was erwartet die Besucher? „Erstens, die Neuentdeckung von Ur- und Frühgeschichte im Park des Fürsten, in dem vorgeschichtliche Denkmale konstruiert wurden“, sagt Harald Meller, der die Tagung gemeinsam mit dem Berliner Literaturwissenschaftler Michael Niedermeier leitet.
„Zweitens, hochrangige internationale Vorträge, die in den englischen und dänischen Gärten zeigen, wie prähistorische Monumente implementiert wurden.“ Das Ziel? „Wir wollen jetzt mit einem internationalen Team ausloten, wie Dessau-Wörlitz im mitteleuropäischen Kontext zu sehen und integrieren ist.“
Wörlitz am 16. und 17. August: Die Eruption des Vulkans beginnt um 21 Uhr. Das Programm für Ticket-Inhaber beginnt bereits um 15 Uhr an der Gondelstation.