Stadtgeschichte Waldbad Dessau: Vor 40 Jahren baut eine Stadt das Schwimmbad auf
Dessau - Wenn man über die Wiese an den Kümmerlingen lief, dann quietschte es unter den Sohlen. Trotzdem wurde auf diesem feuchten Platz zwischen Haideburg und Törten nach dem Krieg Fußball gespielt.
Später wurde unter der Wiese Kies gefunden. Das Baumaterial kam Dessau gerade recht. Tiefbau-Schröter, ein damals bekanntes Unternehmen der Stadt, brauchte ihn, um beispielsweise die im Bau befindliche Fernwärmetrasse zwischen dem Kraftwerk Vockerode und Dessau zu unterfüttern.
Auch der Wohnungsbau wurde zu dieser Zeit forciert. Kies, Zement und Wasser ergeben Beton. Und davon benötigte das zerstörte Dessau reichlich, um Wohnungen zu bauen.
Stadt Dessau packt an
Jene Kiesgrube ist heute das Waldbad, das am 15. Mai vor 40 Jahren und auch später an heißen Badetagen zum Wallfahrtsort der Dessauer wurde. Tausende feierten am 15. Mai 1976 die Eröffnung des Naherholungsgebiets und damit ein SED-Parteitagsobjekt.
Im Mai 76 machten Städte der größten und neunten SED-Konferenz Geschenke. Dessau schenkte das Waldbad mit dem Beinamen „Freundschaft“.
„Dass es entstehen konnte, dafür krempelte die halbe Stadt jahrelang die Ärmel hoch“, erinnert sich Siegfried Hirstowski, Dessaus Stadtbaudirektor von 1961-1984. Alle Betriebe schickten Arbeiter, der Rat der Stadt schippte. Die sowjetischen Garnisonen Kochstedt, Roßlau und aus der Hardenbergstraße, kurz „die Freunde“ genannt, kamen mit Soldaten, die halfen.
Idee für Badesee in Nebensatz
„Die Idee , die ausgekieste Grube zur Badeanstalt zu entwickeln, wurde viel früher geboren“, sagt Hirstowski. Auf einer SED-Delegiertenkonferenz im Februar 1967 trafen sich Genossen aus der gesamten Stadt.
Auch Unternehmer Richard Schröter, in der Stadt Vorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD), kam. Er sprach über die Kiesgrube und „erwähnte nebenher, dass dort ein Badesee entstehen könnte“. „Die Idee war geboren.“
Sie nahm vor dem Hintergrund der Kapazitätsgrenze der Adria, die manchmal wegen Überfüllung geschlossen wurde, immer konkretere Formen an. Das Projekt wurde an die Nationale Front, einen Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen der DDR, übertragen. Spezialbau Potsdam übernahm die Bauleitung. Das Projekt entwickelten die damals jungen Architekten Hans Keller und Wolfgang Paul.
Besonderer Moment der Eröffnung
Während die Dessauer nur baden wollten, berichtete die Freiheit über jenen 15. Mai 1976 fast ausschließlich vom neunten Parteitag. „Die Eröffnung unseres reizvollen Waldbades Freundschaft bei herrlichem Maiwetter gehört wohl zu den schönsten Parteitagsvorhaben, die im Ehrenbuch der guten Taten verzeichnet sind, die unsere Dessauer Delegation zum heute begonnenen Parteitag mitgenommen hat“, schrieb die Freiheit am 18. Mai und berichtete, was entstanden war und was Zukunft sein sollte.
Um den Strand zu modellieren, wurden 7.000 Tonnen Sand verbaut. Entstanden waren Sozialbauten, ein Wohngebäude für den Objektleiter, die Gaststätte mit 230 Plätzen, die in einem zweiten Bauabschnitt fertiggestellt werden sollte. Gebaut waren bereits die Kassenhäuschen, der Sprungturm folgte 1978. Gestört hat das damals niemanden. Alle wollten eigentlich nur noch eins am 15. Mai: Spaß haben im See. (mz)