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Verstärkung für Unabhängigkeit gesucht Verstärkung für Unabhängigkeit gesucht: Mario Ganß aus Dessau-Roßlau ist von Geburt an spastisch gelähmt

Von Danny Gitter 05.11.2019, 13:15
Tetraspastiker Mario Ganß und seine private Pflegeassistentin Kerstin Engler.
Tetraspastiker Mario Ganß und seine private Pflegeassistentin Kerstin Engler. Thomas Ruttke

Dessau - Ein Rollstuhl steht immer vor der Wohnungstür von Mario Ganß. Ohne dieses Vehikel könnte der 51-Jährige sich draußen kaum frei bewegen. Ganß ist Tetraspastiker. Er hat Lähmungen in den Armen und Beinen. „Im Kopf bin ich aber ganz normal“, betont er.

Das deutliche Sprechen fällt ihm etwas schwer. Schon nach kurzer Zeit kann sich Ganß aber auch mit fremden Menschen einigermaßen gut verständigen. Bei seiner Geburt 1967 in Roßlau gab es Komplikationen. Es kam zum Sauerstoffmangel. Spastische Lähmungen sind die Folge.

Der 51-Jährige, der in einer eigenen Wohnung im Gebäudekomplex des avendi-Senioren- und Pflegeheims in der Hausmannstraße wohnt, ist stolz darauf, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. „Dank meiner Assistentinnen ist das möglich“, erzählt Ganß. Zwei Frauen arbeiten je 30 Stunden pro Woche für ihn.

„Ich bin ein richtiger Arbeitgeber“, sagt Mario Ganß

Bis zu sieben weitere in Teilzeit und auf geringfügiger Basis. „Ich bin ein richtiger Arbeitgeber“, sagt Ganß. Er führt nach eigenen Aussagen regelmäßig Verhandlungen mit dem Sozialamt darüber, wie viele Stunden ihm zur Versorgung und Betreuung bewilligt werden. Auf dieser Basis erstellt er Dienstpläne und koordiniert die Einsätze „seiner Frauen“, wie er seine Assistentinnen nennt.

Zwei sind derzeit im Schwangerschaftsurlaub. Ersatz kann der 51-Jährige daher gut gebrauchen. Seine Assistentinnen helfen ihm bei der Körperpflege, erledigen die Arbeiten, die in seinem Haushalt anfallen, kochen für ihn, begleiten ihn zu Einkäufen, bei Spazierfahrten mit dem Rollstuhl und beschäftigen sich mit Ganß auch in dessen eigenen vier Wänden.

Menschen, die sich für einige Stunden unter der Woche oder am Wochenende eine Begleitung und Unterstützung des körperbehinderten Mannes vorstellen können, werden gesucht. Eine seiner ersten Assistentinnen, die ihm seit über fünf Jahren die Treue hält, ist Kerstin Engler. 30 Stunden pro Woche arbeitet sie für Ganß.

Seine Eltern gaben Mario Ganß 2003 ins Dessauer Pflegeheim

„Mario ist ein toller Mensch. Es ist schön, ihm dabei zu helfen ein so selbstbestimmtes Leben wie möglich zu führen“, erzählt Engler. Über ihre Tochter, die als Pflegekraft im Heim in der Hausmannstraße arbeitet, ist die 56-Jährige auf Ganß aufmerksam geworden. Die gelernte Wirtschaftskauffrau hatte vorher keine beruflichen Erfahrungen in der Pflege. „Ich habe mich da relativ schnell reingefunden“, macht sie auch anderen Fachfremden Mut, sich als Assistentin zu bewerben.

Seine Eltern gaben Ganß 2003 ins Dessauer Pflegeheim, da sie ihn Zuhause in Zerbst nicht mehr versorgen konnten.

Doch mit der Zeit fühlte er sich im Heim eingeengt. „Alles geschieht nach Schema F. Nur in Ausnahmefällen konnte ich etwas spontan unternehmen“, erzählt der Tetraspastiker. „Ich wollte mein Leben zurück. Ein Freund erzählte mir von der Möglichkeit einer Assistenz“, sagt Ganß.

Auch im Behindertenbeirat der Stadt Dessau-Roßlau bringt er sich ein

Als er Erkundigungen darüber einholte, wusste er, dass es genau das Richtige für ihn ist. „Durch meine Frauen kann ich spontan sein und das Leben führen, was ich möchte“, erzählt der Teraspastiker. Außer in der Nacht hat Ganß immer eine Assistentin an seiner Seite. „So oft wie möglich geht Mario raus“, erzählt Engler. Unter anderem das Georgium und der Tierpark sind ganz beliebte Ausflugsziele.

Auf dem Weg dahin wird er auch oft angesprochen. „Ich bin bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Ganß stolz. Kontaktscheu ist er jedenfalls nicht. Ein Buch über sein Leben, mit dem Titel „Behindert? - Was soll’s!“ hat er vor sechs Jahren herausgebracht und in der Region schon einige Lesungen gehalten. Mit einer Spezialtastatur hat er sein Buch am heimischen Computer geschrieben.

Auch im Behindertenbeirat der Stadt Dessau-Roßlau bringt er sich ein. Jahrelang war Ganß Mitstreiter eines Literaturzirkels. Der Freundes- und Bekanntenkreis ist groß. Er liebt es mitten im Leben zu sein, trotz Behinderung. Über die sagt er: „Die gehört zu mir. Schließlich bin ich damit aufgewachsen und kann ganz gut damit umgehen“. (mz)

Wer Interesse an einer Assistenz für Mario Ganß hat, wird gebeten, sich per Mail: [email protected] zu melden.