Verehrung von Udo Jürgens Verehrung für Udo Jürgens: Ein Musiklehrer aus Roßlau und seine späte Liebe für den Songpoeten

Roßlau - Mit einer Hommage an Udo Jürgens tourt der Roßlauer Musiker und Chef des gleichnamigen Musikhauses Mathias Wieczorek durch Deutschland.
„Niemals im Bademantel nach New York“, der Titel der Show allein ist Programm genug. Und Augenöffner fürs Kopf-Kino: Da hat sich nach mehrstündigem Auftritt mit enormen Stimmeinsatz ein gut aussehender Mann aus dem gut sitzenden Anzug mit rotem Einstecktüchlein geschält und kommt im strahlend weißen Bademantel zum Dacapo zurück auf die Bühne, um in ein Blumenmeer einzutauchen und noch einmal am Konzertflügel hinzusinken.
Der Weltstar hatte seine Posen und setzte sie punktgenau und verstarb im Dezember 2014. Im Alter von 80 Jahren. Plötzlich und unerwartet.
Mathias Wieczorek: Vom Rock'n'Roll-Fan zum „Schlagerfuzzi“
Mathias Wieczorek macht Musik Zeit seines Lebens, seit dem 8. Geburtstag mit Auftritten in der Öffentlichkeit. Sein Herz für Udo Jürgens entdeckt und geöffnet aber hat der heute 54-Jährige spät. „Ich war über Jahrzehnte geprägt von einem Wunsch: Ich liebte und wollte Rock’n’Roll. Udo Jürgens? Der gehörte für mich und die Mitspieler in den Bands in die verspottete Kategorie ’Schlagerfuzzi’.“
Dieses despektierliche Vor-Urteil wurde bei einem Aha-Erlebnis gründlich über den Haufen geworfen, buchstäblich über Bord gefegt. Ein Jahr vor dem überraschenden Tod des Entertainers.
2013 schipperte das Kreuzfahrtschiff MS Columbus mit über 700 Passagieren über den Ozean. Zur Unterhaltung der Reisenden waren die Andreas-Lorenz-Band sowie der Sänger und Pianist Wieczorek aus Roßlau engagiert worden.
Tanzmusik: Udo Jürgens „geht immer“
Tanzmusik war gefragt und Udo Jürgens „geht immer“. Wieczoreks sonore, gefühlvolle Stimme hat gepasst und neben den Noten fielen dem Roßlauer dann urplötzlich die Textblätter in den Schoß. „Da gingen mir die Augen auf: Diese Texte in ihrer Tiefe und zeitlosen Gültigkeit stammen von einem wahren Songpoeten. Das ist mein Ding!“
Und seither nahm Mathias Wieczorek die Hits des Künstlers aus fünf Jahrzehnten nicht nur in sein Repertoire auf, sondern gestaltet die Auftritte zu einer Show, die Generationen von den Sesseln und auf die Tanzfläche zieht.
Auf der Bühne präsentiert Wieczorek die Klassiker wie „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“ oder „Griechischer Wein“. Das textsichere Publikum singt schwärmerisch mit. Biografische Anekdoten umrahmen die Darbietung.
Vor allem das Spätwerk von Udo Jürgens hat Mathias Wieczorek ins Herz geschlossen
Besonders ins Herz geschlossen hat Wieczorek die späteren und letzten Titel von den Alben „Der ganz normale Wahnsinn“ (2011) und „Mitten im Leben“ (2014). In seinem Alterswerk zeigt sich der Künstler noch einmal als romantischer Troubadour, in der wunderbaren Mischung eines Chanson-Sängers und Lyrikers am Klavier und eines hochpolitischen Gesellschaftskritikers mit großem, swingendem Orchester. „Das ist einfach große Musik zum Zu-Hören“, sagt der neu gewonnene Udo-Jürgens-Fan Mathias Wieczorek.
Dessen Lebensweg wiederum ist untrennbar mit Musik verbunden. Nach klassischer musikalischer Ausbildung im Gesang sowohl an der Dessauer Musikschule als auch im Theater unter den Fittichen von Marianne Kaiser oder im Kinderchor der Katholischen Gemeinde Peter und Paul griff Mathias als Jugendlicher in die Saiten der Gitarre.
Hatte er als Kind bis zum Stimmbruch im Solo-Gesang geglänzt, saß Mathias mit 14 in einer Jugendband am Schlagzeug. In der Musikschule nahm parallel die Ausbildung am Klavier ihren Lauf.
Früh die Liebe zur Musik entdeckt
Als der gebürtige Dessauer nach den Abiturprüfungen am Philanthropinum (damals EOS) zum 18-monatigen Grundwehrdienst eingezogen wurde, rückte da in Leipzig schon ein gestandener Musiker „auf die Stube“. Das NVA-Soldaten-Ensemble Alfred Frank wurde hellhörig. Und Wiecoreks Armeezeit nicht allzu öde.
Kontakte unter Musikern brachten den Dessauer schließlich in den Kreis um Fips Fleischer, den Komponisten und Jazz-Musiker mit eigenem Orchester. Der in den 70er/80er Jahren eng verwobene Leipziger Künstler-Klüngel wies auf die interessante Alternative: „Du kommst jetzt ans Konservatorium.“
Dort absolvierte Wieczorek ein vierjähriges Fachschulstudium mit guten Abschlüssen. „Ab 1986 war ich als Berufsmusiker unterwegs“, war der vielseitige Dessauer bei der Konzert- und Gastspieldirektion der DDR „gut gelistet“.
Die eigene Musikschule seit 1991
Die ostdeutsche Zeitenwende brachte turbulente Jahre und für den Berufsmusiker eine Neuorientierung. Bezahlt wurde nur noch, was bestellt war. Aber das quer Beet vom Geburtstag bis zur Beerdigung. Tanzmusik war gefragt. Wieczorek zog los mit „3 vom Team 5“.
Der Dessauer war nach der Hochzeit mit Karin inzwischen zum Roßlauer geworden, wo er 1991 in der Goethestraße eine Musikschule eröffnete und 1994 zum Musikhaus ausbaute. 1998 wuchs mit dem Umzug in die Damaschkestraße das Leistungsangebot. Jetzt waren Studioaufnahmen möglich oder wurden Musikprojekte aufgelegt.
Und nach ABBA-Singers gab es irgendwie, irgendwo, irgendwann eine Nena-Show, die Eros-Ramazotti-Cover Show und Programme mit den Hits von Peter Maffay und Wolfgang Petry.
Den Schlagerfuzzis folgte der Songpoet schlechthin. Und Mathias Wieczorek zelebriert die „Udo-Jürgens Show - niemals im Bademantel nach New York“. Zur Künstlergarderobe gehört also kein reinweißer Bademantel, wohl aber das rote Tüchlein am Revers über dem Herzen. (mz)
