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Unterwegs zu den Cliquen der Stadt

25.11.2004, 18:16

Köthen/MZ. - Drei Jahre "Straßenarbeit" - Christine Krohn weiß noch genau, wie es begann. Losgegangen ist sie, hat sich in der Stadt an Bushaltestellen, auf Spielplätzen umgesehen, jeden Tag. Hat das Gespräch mit den Mädchen und Jungen gesucht, die sich an den Orten regelmäßig treffen, hat Hilfe angeboten bei Problemen, und wenn es zunächst nur das Zuhören war oder mal ein Ratschlag. Ist in Jugendklubs gegangen, hat mit der Zeit das Vertrauen der jungen Leute gewonnen, die auch kamen, wenn sie etwas organisierte: Fußballturniere, Volleyball, Skaterfeste, Radtouren.

Etwa 12 Cliquen sind es, die sie regelmäßig an ihren Treffpunkten besucht. Hinzu kommen die Kontakte zu den Jugendklubs in Köthen und den eingemeindeten Dörfern. Ihr Arbeitstag beginnt meist gegen Mittag und dauert bis zum Abend, im Sommer länger als im Winter, weil es dann auch länger hell ist und die Mädchen und Jungen länger draußen sind. Planbar ist der Arbeitstag nie bis ins Letzte, manchmal bleibt sie nur kurz, manchmal Stunden bei einer Gruppe - je nach dem, wie sich die Situation darstellt.

Und welcher Art sind nun die Kontakte? Wozu brauchen junge Leute eine Streetworkerin? "Oft", erzählt Christine Krohn, "haben die Jugendlichen Probleme in der Schule, mit den Eltern, mit Freunden und brauchen einfach jemanden zum Reden. Das ist zu Hause nicht immer gegeben. Und dann brauchen sie Freizeitangebote, damit sie nicht nur rumhängen. Ich versuche beides", sagt die junge Frau.

Was die Probleme angeht, unterscheidet die Streetworkerin zwei Kategorien: Einmal gibt es Jugendliche in den Cliquen, die sie haben, dies aber nicht sagen und nicht sehen wollen. Alkohol zum Beispiel, zu nichts Lust, Versagen in der Schule und Stress zu Hause. Denen könne sie erst dann helfen, wenn sie selbst dahinter gekommen seien, dass es so nicht weitergehen soll und den ernsthaften Willen haben, etwas zu ändern.

Die anderen sind die "Einzelfälle", die zu ihr geschickt werden. Von Freunden zum Beispiel. Da geht es um abgebrochene Schul- oder Ausbildung, den Rauswurf zu Hause, finanzielle Sorgen, das Stehen vor dem Nichts. Hier kann sie behilflich sein, die entsprechenden Ämter aufzusuchen, Formulare auszufüllen, um einen Neubeginn zu wagen. Allerdings klappt auch das nur dann, sagte sie, wenn der Wille dahinter steht.

Wenn auch die meiste Zeit ihr Arbeitsplatz dort ist, wo sich die jungen Leute treffen, so hat sie doch auch ein kleines Büro im Verwaltungsgebäude der Stadt in der Wallstraße. Hier ist zweimal wöchentlich Sprechstunde, dienstags von 16 bis 18 Uhr und donnerstags von 13.30 bis 15.30 Uhr. Und Es gibt die dienstliche Handynummer 0177 / 29117097, unter der Christine Krohn zu erreichen ist, wenn sie nicht im Büro sitzt. Zu den Jugendlichen, die mit Freunden aus der Clique zur Feier des Dreijährigen Streetwork-Bestehens kam, gehört Jenny Babatz. Sie war sich mit den übrigen Mädchen einig, dass das "eine gute Sache ist". Mit Christine Krohn "kann man über alles reden, zum Beispiel, wie man Freunden helfen kann", sagt sie und: "Sie ist richtig cool, auch die Veranstaltungen, die sie macht."

Und dann schauen sich die Mädchen, während sie den Geburtstagskuchen essen, den die Streetworkerin gebacken hat, Fotoalben an. Alles ist dokumentiert: Die Radtour vom Sommer, die Turniere in verschiedenen Sportarten, das Rock'n'Roll-Fest und die Fahrt nach Sachsenhausen, die Jenny besonders beeindruckt hat. "Was wir da gesehen haben, war krass", sagt sie. Und wird auch wieder dabei sein, wenn es nächstes Jahr nach Theresienstadt geht.

Ansonsten steht auch dann wieder all das auf dem Jahresprogramm, was sich bisher als gut erwiesen hat: Sport und Musik, eine Mädchenparty zum Frauentag. Dazu soll erstmals ein Sucht-Projekt kommen, denn dieses Problem wird immer größer, muss Christine Krohn konstatieren. Geplant ist, im Frühjahr ein mehrtägiges Camp in einer Einrichtung in Köllme im Saalkreis zu organisieren. Ohne Alkohol und Zigaretten, dafür aber mit Infos, Projekten, Gesprächen - "vollgepackte Tage", sagt die Streetworkerin, die Gefahren und Alternativen ganz deutlich aufzeigen.