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St.-Marien-Gemeinde Roßlau St.-Marien-Gemeinde Roßlau: Tage, an denen alles im Glück schwamm

Von Thomas Altmann 27.05.2003, 19:13

Roßlau/Amersfoort/MZ. - Die Zeiten ändern sich, aber die Partnerschaft zwischen der Taufgesinnten, Freisinnig Reformierten und Remonstrantengemeinde Amersfoort und der Evangelischen Kirchgemeinde Roßlau besteht noch immer. Vor zwanzig Jahren war die erste Jugendgruppe anlässlich des Lutherjubiläums nach Roßlau gekommen. Das Treffen hatte Pfarrer i. R. Gerhard Pfennigsdorf auf einer ökumenischen Jugendkonferenz verabredet.

In den vergangenen Tagen war wieder eine Gruppe Niederländer an die Elbe gekommen. Zum Jubiläumstreffen lag ein dicker Hefter in der Sakristei, private Post und ein unendlicher Tanz um Formalitäten. Da erfährt man etwa, dass der Roßlauer Kirchenchor vor der Wende nach Amersfoort eingeladen worden war. Der Wunsch wurde schon von der Landeskirche Anhalt wegen eines Formfehlers abgelehnt. Gruppenreisen in den Westen mussten ein Jahr vorher beantragt werden.

Im November 1989 reiste dann die erste Roßlauer Gruppe nach Amersfoort. "Zwei gemeinsame Tage, an denen alles im Glück schwamm", berichtet Pfarrer Pfenningsdorf in seiner Chronik. "Der Hauch von Exotik, der vor allem in den Anfangsjahren über unseren Begegnungen lag, verflog nach der Wende sehr schnell", so Pfennigsdorf weiter. Heute liegt Roßlau im Westen. Das Leben ähnelt sich, aber das Interesse ist geblieben.

Niederländer haben bekanntlich mit Wasser und Deichen zu tun. Am Montag ging es nach Raguhn. Die Spuren des Hochwassers an der Kirche sind beinah beseitigt. Um Wasser und Wirtschaft ging es auch bei den Besuchen der Goitsche und des Roßlauer Hafens. Am Dienstag reiste die Gruppe nach Gröbzig in die Museums-Synagoge. Sie ist eine der wenigen, die den Hitlerfaschismus überstanden hatte, weil sie schon vor 1933 als Heimatmuseum genutzt worden war.

Ein Gemeindeseminar am Montagabend stand unter dem Thema "Abraham - Stammvater dreier Religionen" mit Vorträgen von Pfarrer Jan Roelof Nienhuis und Pfarrer Jürgen Tobies. Ohne die historisch-kritische Methode abzulehnen, welche biblische Texte permanent in Quellen und redaktionelle Überarbeitungen zerlegt, stellte der Amersfoorter Pfarrer dieser Methode einen anderen Zugang zur Bibel gegenüber, der auf die Ganzheit der Texte zielt. Schließlich sei die Bibel ein liturgisches Buch, dessen Texte die Juden im Gottesdienst singen. Und gerade der jüdische Blick in die Schrift sei bereichernd.

Wer auf Reise geht, so schreibt Rabbi Salomo ben Jitschag im 11. Jahrhundert in einem Kommentar zur Geschichte Abrahams, vermindere: "vruchtbaarkeit", "vermogen", "goeden naam". Die niederländische Übersetzung versteht man besser als das hebräische Original. Weil Reisen Entbehrungen verlangen, wurde Abraham gesegnet. Manche Reise wird noch heute zum Segen. Die Entbehrungen sind anderer Art. Zum Imbiss gab es, jedenfalls diesmal, Fettbemme.