1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Pauly Biskuit in Dessau: Pauly Biskuit in Dessau: Kekse in der Warteschleife

Pauly Biskuit in Dessau Pauly Biskuit in Dessau: Kekse in der Warteschleife

Von Steffen Brachert 18.05.2013, 21:10
Bei der Firma Pauly Biskuit gibt es eine Zwangspause.
Bei der Firma Pauly Biskuit gibt es eine Zwangspause. Sebastian Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - Die Zukunft des Dessauer Keksherstellers Pauly Biskuit bleibt unklar. „Wir haben großes Interesse, dass die Produktion so schnell wie möglich wieder aufgenommen wird“, sagte Hannes Wieczorek von der Lambertz GmbH der MZ. Der Aachener Spezialhersteller für Printen und Schokolade zählt mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Euro zu den Großen der Branche - und sorgt nach eigenen Angaben für 20 bis 25 Prozent des gesamten Pauly-Umsatzes. Doch ob und wann die Produktion dort wieder startet, ist derzeit völlig unklar.

Spezialprodukte aus Dessau

„Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit Pauly Biskuit zusammen und fühlen uns dem Standort Dessau verbunden“, sagte Wieczorek. 100?000 Tonnen Gebäck stellt die Lambertz GmbH jedes Jahr her. Die 1?000 Tonnen, die von Pauly Biskuit aus Dessau bezogen werden, sind eine vergleichsweise kleine Marge. „Aber es sind Spezialprodukte, die wir in unserem Sortiment dringend brauchen.“ Das Problem ist: Für die Lambertz GmbH gibt es bei Pauly Biskuit derzeit keinen Ansprechpartner. Auch die MZ versuchte am Freitag vergeblich, einen Verantwortlichen per Telefon zu erreichen.

„Wir erreichen seit Tagen niemanden“, erklärt Wieczorek. Dabei drängt die Zeit. „Wir brauchen eine schnelle Lösung, sonst müssen wir uns umorientieren“, machte Wieczorek klar. „Das machen derzeit auch andere Kunden.“ Geschieht das mit Erfolg, wären die Aufträge für Dessau unwiederbringlich verloren. Wer einspringt, der will das nicht als Lückenbüßer tun. „Die Interessenten“, sagt Wieczorek, „drängen natürlich auf längerfristige Verträge.“

Die Pauly Biskuit & Chocolate Vertriebs- und Handelsgesellschaft mbH hatte die etwa 150 verbliebenen Mitarbeiter vorige Woche in einen bezahlten Zwangsurlaub geschickt. Zuvor hatte das Unternehmen Ende April keine Löhne und Gehälter gezahlt - und die Mitarbeiter weiter vertröstet. Als Grund für die Verzögerung wurde ein anhängiges Gerichtsverfahren genannt: Nach MZ-Informationen wird dabei offensichtlich in Frankfurt/Main um Geld für Aufträge gestritten. Dieses wurde bei Gericht hinterlegt ist, weil unklar ist, wer damit vorrangig zu bedienen ist. Zuletzt wurden Aufträge schon nicht mehr direkt an Pauly bezahlt.

Die Pauly Biskuit & Chocolate mbH ist auf dem Betriebsgelände im Dessauer Gewerbegebiet an der Argenteuiler Straße Mieter der 1.?Dessauer Beteiligungs AG. Beide waren aus der Pauly Biskuit AG hervorgegangen, die im Frühjahr des vergangenen Jahres in eine Besitzgesellschaft und in eine Produktionsgesellschaft aufgespalten wurde. Das geschah kurz bevor eine Unternehmens-Anleihe in Millionen-Höhe fällig war. Die 1. Dessauer Beteiligungs AG hat kurz darauf Insolvenz angemeldet. Etwa 800 Anleihe-Käufer müssen seither einen Totalverlust ihres Geldes fürchten. Die Staatsanwaltschaft in Halle untersucht die Vorgänge.

Die von der Lambertz GmbH gewünschte Wiederaufnahme der Produktion in Dessau ist aber schwierig umzusetzen. „Wir würden die Aufträge innerhalb von zehn Minuten umschreiben und auch bei den Rohstoffen in eine Vorfinanzierung gehen“, erklärte Wieczorek der MZ. Doch selbst wenn der Celler Insolvenzverwalter Tim Gätcke dafür eine rechtliche Lösung finden würde: Ihm fehlen die Mitarbeiter.

Die Mitarbeiter sind bei der Pauly Biskuit Chocolate angestellt, haben in dieser Woche noch die versprochene schriftliche Bestätigung des bezahlten Urlaubes bis 31.?Mai erhalten - und harren nun der Dinge, die passieren. Viele haben inzwischen bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen, einige haben sich anwaltlich beraten lassen und wollen den April-Lohn einklagen. Doch ohne einen Insolvenzantrag oder eine Kündigung sind die Möglichkeiten begrenzt. Da spielt es keine Rolle, dass viele Mitarbeiter bei einem Neuanfang sofort wieder dabei wären.

Kontakt mit Insolvenzverwalter

„Wir sind in Kontakt mit dem Insolvenzverwalter“, sagte Wieczorek. „Es ist Bewegung drin.“ In welche Richtung muss sich zeigen. Der Celler Rechtsanwalt Tim Gätcke war amm Freitagnachmittag nicht mehr erreichbar. Der Insolvenzverwalter hatte in den vergangenen Monaten intensiv nach einem Käufer für die 1. Dessauer Beteiligungs AG gesucht. Vier Angebote hatte Gätcke im Februar den Gläubigern vorgestellt - und mehr Zeit für Verhandlungen gefordert. Ein fünftes Angebot wurde in Aussicht gestellt - von der Lambertz AG. „Wir hatten uns damit beschäftigt“, räumte Wieczorek gegenüber der MZ ein. „Das ist aktuell aber kein Thema.“