Pauly Biskuit AG Pauly Biskuit AG: Ex-Mitarbeiterin hat 441.000 Euro unterschlagen

Halle (Saale)/Dessau - Eine ehemalige Finanzbuchhalterin der insolventen Pauly Biskuit AG hat vor dem Landgericht in Halle Untreue in 77 Fällen gestanden. Zwischen dem 2. Januar 2009 und dem 9. Januar 2012 hat die heute 38-Jährige insgesamt 441 000 Euro auf das eigene Konto überwiesen und damit ihren teuren Lebensstil finanziert. Klamotten, Tücher, Reisen, Parfüm, eine neue Einrichtung für das Haus: Bei einer Hausdurchsuchung in Sandersdorf hatte die Polizei unzählige Quittungen gefunden. Schuld an der Insolvenz des Keksherstellers soll die Finanzbuchhalterin aber nicht haben. Das schloss der Staatsanwalt aus. Der Betrag sei dafür zu gering.
Aufspaltung Anfang 2012
Die Pauly Biskuit AG hatte sich Anfang 2012 überraschend in die 1. Dessauer Beteiligungs AG und die Pauly Biskuit & Chocolate GmbH & Co. KG aufgespalten. Kurz bevor eine mit 7,25 Prozent verzinste Unternehmensanleihe in Höhe von etwa acht Millionen Euro fällig wurde. Die 1. Dessauer Beteiligungs AG, die die Grundstücke und die Maschinen übernommen hatte, stellte im März 2012 Insolvenzantrag. Die Pauly Biskuit & Chocolate, die die Keksproduktion übernommen hatte, war im Mai 2013 zahlungsunfähig. Die Mitarbeiter wurden in einen Zwangsurlaub geschickt, die Produktion einige Monate still gelegt. Zum 1. August 2013 stieg der Neuenhausener Keks- und Zwieback Produzent Dietrich Borggreve ein und produziert dort seither als Dessbo Sweet und Biskuit AG.
Die Strafanzeige gegen die Finanzbuchhalterin hatte die alte Unternehmensführung selbst gestellt. Schon im April 2012 hatte die damalige Geschäftsführerin Constanze Sika in einer Pressemitteilung „Misswirtschaft, kriminelle Handlungen und Manipulationen einzelner früherer Mitarbeiter und Berater“ für die Insolvenz des Keksherstellers verantwortlich gemacht.
Die Finanzbuchhalterin räumte die Taten gestern vollumfänglich ein - nachdem sich Gericht, Staatsanwalt und Verteidigung auf einen Strafrahmen verständigt hatten, um das Verfahren abzukürzen. Dieser liegt zwischen einem Jahr und acht Monaten und zwei Jahren - ausgesetzt zur Bewährung. Das Urteil wird wahrscheinlich schon am morgigen Mittwoch verkündet.
Vor dem Landgericht Halle ließ die Finanzbuchhalterin ihre Motive im Unklaren, auch, warum die Frau glaubte, damit durchzukommen. Die Überweisungen betrugen zwischen 1 400 und 11 000 Euro. Versteckt in Sammelüberweisungen, floss manchmal drei Mal im Monat Geld auf das eigene Konto. Das kriminelle Umfeld habe die Überweisungen möglich gemacht. „Es hat keine Kontrolle der Geschäftsleitung gegeben. Es war leicht, diese Tat zu begehen“ , sagte die 38-Jährige und rückte zugleich von ursprünglichen Aussagen bei der Staatsanwalt ab: Anfangs hatte die Frau behauptet, die Insolvenz der Pauly Biskuit AG vorausgesehen und das Geld auf Treuhandkonten überwiesen zu haben. „Ich wurde massiv unter Druck gesetzt, das zu sagen“, erklärte die Frau und berichtete von zahlreichen Anrufen, Whatsapp-Nachrichten und E-Mails von ehemaligen Firmenchefs der Pauly Biskuit AG. Einem soll die Frau sogar 35 000 Euro für eine Beratertätigkeit vor der Aussage bei der Staatsanwaltschaft gezahlt haben. Der habe sich bester Kontakte zu den Strafermittlern gerühmt.
Möglich ist, dass die Buchhalterin in den weiteren Ermittlungen in Sachen Pauly Biskuit AG helfen kann. Vor dem Landgericht in Halle berichtete die Frau gestern von Überweisungen für angebliche Dachsanierungen auf dem Pauly-Biskuit-Gelände im Dessauer Gewerbegebiet Mitte und von Beraterverträgen für Tanten von Geschäftsführern in Mallorca.
Ermittlungen laufen
Staatsanwalt Ralf-Peter Terstegen kannte diese Aussagen schon. „Sie hat ihr Wissen im Rahmen der Ermittlungsverfahren preisgegeben und sich kooperativ gezeigt“, bestätigte der Wirtschafts-Spezialist und deutete Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrugs und Insolvenzverschleppung an. Auf MZ-Anfrage erklärte der Staatsanwalt: Die gesamte Buchhaltung des Unternehmens sei beschlagnahmt. „Wir prüfen, ob die Bilanzen, die Teil des Verkaufsprospekts für die Unternehmensanleihe waren, unrichtig sind.“ Wann ein Ergebnis vorliegt, lässt sich nicht sagen.
Ob die vielen hundert Käufer der Pauly-Biskuit-Unternehmensanleihe jemals Geld wiedersehen, ist ebenfalls offen - und Sache des Celler Insolvenzverwalters Tim Gätcke. Der holt sich derzeit das veruntreute Geld von der Finanzbuchhalterin zurück. Ein Anfang ist gemacht: 136.000 Euro hat die 38-Jährige schon bezahlt. (mz)