Otto Lüdicke Otto Lüdicke: Ein «Fliegender Fisch» als leiser Maßarbeiter
ROSSLAU/MZ/SB. - Wenn Peter Teckel seinen Kollegen Otto Lüdicke ärgern wollte, ging der Roßlauer ins Lager der Schiffswerft und stellte eine Frage: "Du sag mal Otto, da im WM-Finale, der Gegner, der kann doch nichts getaugt haben?" Teckel muss noch heute schmunzeln, wie Lüdicke sich darüber aufregen konnte. Zu Recht. Dass Deutschland im WM-Finale vor 80 0000 Zuschauern die Schweiz mit 23:0 (!) besiegte, daran hatte Lüdicke größten Anteil. Der Ausnahmekönner mit dem Spitznamen "Fliegender Fisch" war - mit Abstand -der beste Feld-Handball-Torwart seiner Zeit. Lüdicke (26. April 1912 - 1. August 1999) wäre am Donnerstag 100 Jahre alt geworden.
Viele Details zusammengetragen
Teckel ist ein Jäger und Sammler in Sachen Roßlauer Handball-Geschichte. Mit Lüdicke war er eng verbunden. Als Fan wie als Kollege in der Schiffswerft. Teckel hat viel Material über Lüdicke zusammengetragen. "Das hat Otto verdient. Er war ein Ausnahme-Handballer."
Der gelernte Zimmermann Lüdicke kam aus Kleinkühnau und hat dort lange gewohnt. Mit 15 Jahren hatte Lüdicke mit dem Handball begonnen. Als Stürmer. Doch schon zwei Jahre rückte er erstmalig zwischen die Pfosten - und blieb dort. 1930 wechselte das große Talent zum PSV Dessau und wurde dort auf Anhieb Mitteldeutscher Meister. 1934 ging er zu Dessau 98 an die Kienfichten. Eine Karriere begann: Dreimal . 1941, 1943, 1944 - holte Dessau 98 die Gau-Meisterschaft Mitte. 75 Mal wurde Lüdicke zwischen 1934 und 1942 für die Mitteldeutsche Auswahl im Tor. 1937 erfolgte die erste Nominierung für die Nationalmannschaft. 17 Länderspiele hat Lüdicke absolviert. In einer Zeit, als es nur wenige Länderspiele pro Jahr gab. Mit einer besonderen Bilanz: Mit Lüdicke ging kein Länderspiel verloren. Höhepunkt war das WM-Finale, in dem die Schweizer an Lüdicke verzweifelten und eine Niederlage für die Geschichtsbücher kassierten.
Nach dem Krieg aus der Gefangenschaft zurück, schloss sich Lüdicke 1948 der Mannschaft der Roßlauer Schiffswerft an und setzte dort seinen Siegeszug fort. Mit ihm als 39-Jährigem im Tor sichert sich Roßlau im Jahr 1951 die DDR-Meisterschaft. Es war ein letzter großer Sieg, den Lüdicke beim 10:9 im Finale gegen Gera sicherte. Wolkenbruchartige Regenfälle und ein Gewitter sorgten damals in Leipzig für schwierigste äußere Bedingungen. Lüdicke konnten die nicht aus der Ruhe bringen.
Bei all den Erfolgen blieb Lüdicke stets bescheiden. "Ich konnte mich auf meine zehn Kameraden verlassen, die alle denselben Willen zum Sieg in sich hatten", sagte der Kühnauer nach dem Sieg im WM-Finale. "Dieser Sieg war nicht der Sieg allein von uns elf Spielern", erklärte Lüdicke nach der DDR-Meisterschaft mit Roßlau, "sondern von allen Kollegen und Freunden aus Roßlau, die uns in ihrer Treue und Unterstützung das nötige Selbstbewusstsein gaben."
Schweiz als ernsthafter Gegner
Das Fachblatt "Handball" würdigte das schon 1953. Lüdicke verrichte in seinem Beruf als Zimmermann ebenso Maßarbeit wie früher im Tor, ohne je besondere Aufhebens zu machen. Nur eines stellte er immer klar. Auch, wenn Teckel ihn ärgerte: Die Schweiz im WM-Finale war schon ein ernsthafter Gegner, der alles probierte. Was Lüdicke verschwieg: Er war an diesem Tag einfach zu gut.