1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Orgelempore auf wackligen Säulen

Orgelempore auf wackligen Säulen

Von Silvia Bürkmann 01.08.2008, 18:12

Rodleben/MZ. - Der Friedhof hinter der kleinen, eisernen Pforte hinterlässt beim Betrachter einen würdigen, gepflegten Eindruck. Und dennoch: Der Besucher der Rodlebener Feldsteinkirche landet derzeit mitten auf einer Baustelle.

Auf einer stillen Baustelle. Das alte Gotteshaus wird saniert. Wie leer gefegt das Kirchenschiff. Eine Kanzel und einen Taufstein hatte die alte Feldsteinkirche ohnehin nicht mehr, nun ist auch die Bestuhlung beiseite geräumt. "Seit Weihnachten vorigen Jahres ist die Kirchgemeinde Rodleben Gast der Ortschaft Rodleben", berichtet Jürgen Tobies, in Personalunion Gemeindepfarrer und Kreisoberpfarrer Anhalt-Zerbst. Im "Haus Elbeland" werden die Gottesdienste gefeiert, fand auch das Krippenspiel statt, wird zu klassischen Kirchenkonzerten geladen. "In Rodleben sitzen die Leute mit verschiedenem Hintergrund nicht nur gemeinsam in einem Boot, sondern ziehen am gleichen Strang. Das macht hier wirklich Spaß", so der Seelsorger über ein kongeniales Zusammenspiel dreier Hände: Neben der Kirchengemeinde und dem Rodlebener Ortschaftsrat Rodleben legt sich auch der junge Kirchbauverein kräftig ins Zeug für die Rodlebener Kirche. "Wir sind die weltliche Abteilung", lacht Vorstandsmitglied Waltraud Rey. "Nicht konfessionell gebunden, sehen wir es dennoch als unser Ziel, die Rodlebener Kirche als Kulturdenkmal zu erhalten und auszugestalten", sagt der stellvertretende Vorsitzende Günter Leps über Sinn und Zweck des Vereins. Und legt die Stirn in Falten, als er mit Hans-Jürgen Böhme, Waltraud Rey und Ortsbürgermeister Frank Rumpf die Baustelle betritt.

Die neuen Fußbodenplatten im Kirchenschiff sind verlegt. Die Auflagen vom Denkmalschutz waren hart: Soviel originale Stücke wie möglich erhalten, ersetzen nur in originaler Abmessung und Farbgebung. Der Kirchbauverein wurde fündig in der Ziegelei Hundisburg. In diesem technischen Denkmal wurden die neuen, Platten gegossen und gebrannt, so dass sie wie alt aussehen.

Im Bereich der Apsis wurden die historischen, bis zu 700 Jahre alten Originalziegel saubergeschrubbt und erhalten. Die rund 1 700 Ergänzungsstücke aus dem 21. Jahrhundert sind mit bloßem Auge nicht auszumachen, die modernen Warmluftheizung im Fußboden antik getarnt.

Seit einigen Wochen aber schwebt über der Kirche Rodleben ein Damoklesschwert: Baustopp. Die zwei Säulen der Orgelempore waren über Jahrzehnte verputzt, im Kern aber doch nichts anderes als Holz. Und an der Wetterseite der Feldsteinkirche über die Jahrhunderte nass und morsch geworden und vermodert. Unter der Holzempore sollte im Trockenbau eine separate Technikkammer errichtet werden,. Doch davon können die Vereinsaktivisten und Mitglieder der Kirchengemeinde einstweilen nur träumen. Jetzt berechnet ein Statiker die Last, die die neuen Emporenträger aufnehmen müssen. Die misst in Tonnen. Denn über der Orgel erhebt sich der Kirchturm.

Der Turm wurde bereits saniert. Fachwerk und Holz erstrahlen seit 2004 in neuem Glanz, auch der Glockenstuhl wurde komplett erneuert. "Der Turm hatte sich in den letzten Jahren regelrecht verdreht", schildert Waltraud Rey, als Bautechnikerin quasi "vom Fach", die augenscheinliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts. Rodleben hatte seinen "schiefen Turm". Mit einer Drainage gelang es, das gestiegene Wasser abzuleiten und die Kirche trockenzulegen. Mit der Rekonstruktion von Turm und Glockenstuhl sind die wirkenden "Schwerkräfte" nun direkt auf das Mauerwerk gelenkt und der Turm trägt sich wieder selbst.

Allerdings steht die Empore unter ihm auf wackligen Stützen, wie Kirchengemeinde, Pfarrer, Kirchbauverein und Ortschaftsrat jetzt mit Erschrecken feststellen mussten. Ein Tiefschlag ins Konto der Finanzplanun. Wie geht's weiter? Waltraud Rey zieht zweifelnd die Schultern hoch. "Mit 90 000 Euro hatten wir gerechnet." Diese Summe war über die Kirchengemeinde, den Ortschaftsrat, die Mitgliedsbeiträge aus dem Verein, dank der Spenden von Bürgern und ortsansässigen Betrieben zusammengespart worden.

Nun ist die Rechnung neu zu eröffnen. Und geht der Kirchbauverein wieder zum Klinkenputzen auf Tour. "Jetzt müssen wir uns eben etwas Neues einfallen lassen", gibt Günter Leps mit trockenem Humor die neue Losung heraus.