1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. OB-Wahlen in Dessau-Roßlau: OB-Wahlen in Dessau-Roßlau: Mehr als nur Koschig gegen Exner

EIL

OB-Wahlen in Dessau-Roßlau OB-Wahlen in Dessau-Roßlau: Mehr als nur Koschig gegen Exner

Von Steffen Brachert 02.04.2014, 08:52
Wer hat hier ab dem 1. Juli das Sagen? Acht Bewerber gibt es bislang für das Amt des Oberbürgermeisters.
Wer hat hier ab dem 1. Juli das Sagen? Acht Bewerber gibt es bislang für das Amt des Oberbürgermeisters. ARCHIV Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - 2001 schien der Wechsel beschlossene Sache. Holger Platz machte einen engagierten Wahlkampf - und wurde am Wahlabend kalt erwischt. Der von der eigenen SPD verschmähte Hans-Georg Otto triumphierte. Mit 40,67 Prozent im ersten Wahlgang. Platz kam auf 19,79 Prozent - und erlebte in der Stichwahl ein Debakel. Der Amtsinhaber holte 73,03?Prozent und sicherte sich eine zweite Amtszeit. Platz wechselte wenig später nach Magdeburg.

Generation 50 plus entscheidet

Was die 2001er Wahl für 2014 heißt? Zwei Dinge: Der Wahlkampf kann noch so aufregend, multimedial und erfrischend sein. Das muss nichts heißen. Es gilt die Generation 50 plus zu erreichen. Die allein entscheidet die Wahl in Dessau-Roßlau. Und: Der Bonus des Amtsinhabers ist groß.

Acht Kandidaten, acht Männer, wollen bislang Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister werden. Prognosen sind schwierig. Doch der parteilose Amtsinhaber Klemens Koschig und Stadtratspräsident Stefan Exner (CDU) dürften in der Favoritenrolle sein. Koschig hat - trotz aller Probleme in der Stadt und trotz vieler Kritiken an seiner Amtsführung - den Vorteil des höchsten Bekanntheitsgrades - und darf mit einiger Wahrscheinlichkeit auf „seine“ Roßlauer zählen. Wenn es Koschig im Wahlkampf schafft, die „Schuld“ für manche Probleme dem Stadtrat zuzuschieben, scheint alles möglich: Auf seiner Webseite verbreitet das Stadtoberhaupt Zuversicht: „Dessau-Roßlau wählt am 25.?Mai seine Nr.1“.

Stefan Exner ist derjenige, der schon am längsten Wahlkampf macht. Ende Juni 2013 - vor zehn Monaten - hat Dessau-Roßlaus CDU den Stadtratspräsidenten nominiert. Seither hat der Rechtsanwalt viele Termine absolviert, versucht sich als „Bürgeranwalt“ zu profilieren und kann auf die Unterstützung von Pro Dessau-Roßlau zählen. 2007 hatten die noch Klemens Koschig unterstützt.

Hilft der Merkel-Effekt?

Exner hat einen Vorteil und ein Problem. Der Vorteil ist, dass am 25. Mai auch die Europa-Wahl stattfindet - und die CDU dort auf den Merkel-Effekt hofft. Kommen die Christdemokraten dort auf ein gutes Ergebnis, dürfte das auch auf die „lokale“ CDU abfärben. Das Problem sind die innerparteilichen Streits in der CDU, die immer wieder hochkochen. Sei es um die Spitzenkandidatur von CDU-Fraktionschef Hans-Joachim Mau im Roßlauer Wahlbereich. Sei es um die Aufarbeitung der IHK-Affäre innerhalb der CDU. Zuletzt hatte Ex-CDU-Mitglied Hendrik Weber die Partei und Exner heftig angegriffen.

Neben Koschig und Exner kämpfen Peter Kuras und Uwe Jakob Weber um einen Platz bei der - ziemlich wahrscheinlichen - Stichwahl am 15. Juni. Der Liberale Peter Kuras hatte vor drei Wochen seine Kandidatur angekündigt. Als unabhängiger Kandidat, der von einem überparteilichen Bündnis getragen wird. Wie weit, ist die Frage. Kuras’ Chance besteht darin, sich als Dessauer von außerhalb anzubieten.

Kuras hatte mit seiner Kandidatur lange gezögert (bis heute ist der Liberale weder im Internet noch auf Facebook vertreten) - und auf Unterstützung von anderen Parteien gehofft. Die gibt es zwar. Mit Ex-Oberbürgermeister Jürgen Neubert, Grünen-Fraktionschef Ralf-Peter Weber und dem ehemaligen Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt weiß Kuras prominente Fürsprecher hinter sich. Doch weder SPD noch Bündnis 90/Grüne haben sich bislang eindeutig für den Präsidenten der Landesstraßenbaubehörde ausgesprochen.

Ist Weber bekannt genug, um für eine Überraschung sorgen zu können?

Bündnis 90/Grüne haben Kuras am 8. Mai zu einem „Hearing“ eingeladen - mit Uwe Jakob Weber, dem Sprecher der Dessau-Roßlauer Initiative „Land braucht Stadt“, der im August seine Kandidatur öffentlich machte und seither unter dem Motto „Zukunft gestalten statt Stillstand verwalten“ Wahlkampf macht. Weber hat in den vergangenen Monaten sicher die meisten Veranstaltungen besucht, sich eingebracht: Ausschüsse, Feuerwehr-Versammlungen, Beratungen. Trotzdem ist die Frage: Ist Weber bekannt genug, um bei der OB-Wahl am 25. Mai für eine Überraschung sorgen zu können?

Diese Frage stellt sich auch für die anderen Kandidaten. Andreas Mrosek tritt für die Alternative für Deutschland an. Mrosek saß von 2002 bis 2004 für die CDU im Stadtrat, war lange Vorsitzender des Bundes der Selbstständigen und arbeitet als Lotse in Kiel. „Ich wohne aber in Dessau und bin ein Drittel meiner Zeit hier“, sagt der 56-Jährige, der die AfD-Mitgliedsnummer 542 hat und damit von Anfang an in der Partei dabei ist. Mroseks OB-Wahl-Ergebnis wird wohl davon abhängen, wie die AfD durch den Europa-Wahlkampf kommt.

Die anderen drei Kandidaten - Stephan Willerding, Karsten R. Lückemeyer und Ben Naumann - sind Außenseiter und müssen erst einmal zeigen, wie ernst sie ihre Kandidatur meinen. Willerding war schon 2007 angetreten, machte dann kurz vor der Wahl einen Rückzieher („Ich fühle mich persönlich und politisch in einem Zustand der Isolation“), um sich dann doch zur Wahl zu stellen. Willerding bekam 0,87 Prozent. Karsten R. Lückemeyer („Mut zur Lücke“), Chef des Dessauer Machtwort-Verlages, und Ben Naumann („Zuhören - Verbinden - Gestalten: Gemeinsam in die Zukunft“), der einen Mobilfunkshop hat, sind politisch noch ohne Erfahrung.

Suche nach „linkem“ Bewerber

Offen ist, ob sich bis zum 28. April noch weitere Kandidaten finden. Vor allem ein „linker“ Bewerber fehlt noch. Die SPD hatte früh angekündigt, auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten. Die Zerrissenheit der Partei wurde gerade erst wieder deutlich, als Peter Kuras seine Kandidatur öffentlich machte. Die wurde zwar von Robert Hartmann, dem stellvertretenden Vorsitzenden des SPD-Stadtverbandes unterstützt, der daraufhin aber heftige parteiinterne Kritik einstecken musste. In einer Pressemitteilung kritisierten der Vorstand der SPD-Stadtratsfraktion und der SPD-Ortsverein Dessau 1 dies als „nicht legitimierten Alleingang“. OB-Kandidaten, die die Unterstützung der SPD wünschen, hätten sich an die entsprechenden Gremien zu wenden. „Alle Versuche, diese zu umgehen, sind zum Scheitern verurteilt.“

Die Linke wartet noch ab. „Wir haben vor über drei Monaten mit anderen Parteien erste Gespräche geführt, um einen gemeinsamen Kandidaten zu finden“, sagte Ralf Schönemann, Linke-Fraktionschef im Stadtrat. Ziel sei ein Parteienbündnis und kein Personenbündnis gewesen. Doch das ist nicht in Sicht. Die Linke saß zuletzt mit Kuras zusammen. „Es geht um verlässliche Absprachen“, machte Schönemann klar. Einige Antworten stünden aus.

Für den 16. April hat die Linke eine Gesamtmitgliederversammlung einberufen. „Wir werden nicht ohne eine konkrete Aussage in den Wahlkampf gehen“, machte Schönemann deutlich. Mitte April soll entschieden werden, ob die Linke Kuras unterstützt - oder doch einen eigenen Kandidaten aufstellt. Wer das ist? Schönemann selbst. Es wäre nach 2001 (5., 12,86 Prozent) und 2007 (2., 15,55 Prozent) sein dritter Anlauf.