Neue Sicht auf fremde Welten
Dessau/MZ. - Und tatsächlich. Im Musikraum in der dritten Etage schwingen unter den Porträts der großen Komponisten die Hüften, klirren die Pailletten und Münzen an den Tüchern, schweben die hauchzarten Schleier. "Und die Spannung im Körper halten. Dynamik auch beim Zurückgehen." Ines Weißflog gibt die Hinweise im Tanzen. Das gebräuchliche Synonym vom Bauchtanz ersetzt die Chefin des "Inka e.V." durch den Begriff vom "Orientalischen Tanz". Den erproben die sieben Mädchen unter Anleitung und Beispiel Weißflogs eifrig. "Diese Gruppe war sehr aufgeschlossen für den Orientalischen Tanz. Die Mädchen haben Spaß an der Bewegung und gehen wohl auch im Alltag gern tanzen", heimsen Ulrike, Mary, Alina und die anderen das Lob nach einer schweißtreibenden Stunde im Musikraum ein. "Ganz schön anstrengend. Aber Spaß hat's gemacht", lachen Ulrike (17) und Mary (15) über ihre Premiere beim Bauchtanz.
Der Orientalische Tanz gehörte zu den Wahlangeboten am Abschlusstag der "Religionsphilosophische Projektwoche" in der Sekundarschule in den Kreuzbergen. Die Mädchen und Jungen der 9. Klassen lernten an drei Tagen die verschiedenen Religionen kennen. Das Judentum (Montag), das Christentum (Dienstag) und der Islam (Mittwoch) waren als Tagesthemen verankert. Als Referenten konnten die Schule und die Evangelische Jugend Dessaus den Rabbiner Walter Rothschild (Berlin), Markus Rinke (Dessau) und den Islamwissenschaftler Ender Centin (Berlin) gewinnen. Das tägliche Hauptreferat nennt Organisator Andreas Janßen den einzigen "Pflichttermin" für die Schüler. Darum herum rankten sich noch die vielfältigsten Wahlangebote vom Besuch des Jüdischen Friedhofs bis zum Gespräch mit dem katholischen Mönch Bruder Michael und den Vorführungen asiatischer Kampfsporttechnik.
So lernten die Mädchen und Jungen am Montag die Klezmer-Musik kennen und probierten die jüdische Küche mit einer Suppe aus roten Linsen, Spinat und Fisch. "Und jede Menge Knoblauch", schmunzelt Dorlies Baethge noch Tage später. Die Düfte der koscheren Küche benebelten die komplette zweite Etage im Schulgebäude. "Nicht so mein Ding", rümpft Stojan aus der 9a die Nase, während Gina aus der 9b der Ausflug an die fremden Kochtöpfe gefallen hat. Die 15-Jährige fand die Projektwoche interessant, hätte aber wie auch die Freundin und Klassenkameradin Anna gern "noch ein bisschen mehr Neues zu den Religionen selbst gehört."
Dafür wartete das Lehrerkollegium am Mittwoch mit Spannung auf den Besuch des Islamwissenschaftlers Centin in den Kreuzbergen. Der Gast erwischte einen schwarzen Tag auf der Bahnstrecke aus Berlin und einen Oberleitungsschaden mit nachfolgendem Schienenersatzverkehr. Krisensitzung und -management im Lehrerzimmer. Die Pausen werden verschoben, die Gruppen für die Wahlkurse neu geordnet. "Da müssen wir halt am letzten Tag noch improvisieren", schüttelt Janßen grinsend den Kopf. Und die Deutsch- und Religionslehrerin Baethge fährt zum Bahnhof.
Die Ausgestaltung der Projektwoche oblag über weite Strecken den Schülern selbst. Den Kern bildeten die vier Basisgruppen, zu denen sich die Neuntklässler zusammenfanden. "Die Basisgruppen besprachen den zurückliegenden und bevorstehenden Tag. Hier wurden die Fragen vorbereitet, die man dem Referenten in den seminarähnlichen Vorträgen stellen wollte. Die Basisgruppen waren absolut lehrerfreie Zonen, wurden geleitet von einem Mitarbeiter der Evangelischen Landeskirche Anhalt", ist Janßen mit der ungezwungenen Organisation zufrieden. Wie überhaupt mit der Projektwoche. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was hier gelaufen ist. Ein Erfolg für Schüler und Schule."