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Männer, die durchs Feuer gehen

Von SILVIA BÜRKMANN 23.08.2009, 17:43

ROSSLAU/MZ. - Am Sonnabend holpert das antike Wägelchen wieder über Roßlauer Straßen. Zum Festumzug anlässlich des 135. Gründungstages der Roßlauer Feuerwehr allerdings rollt die Leihgabe der Freiwilligen Feuerwehr Mildensee für die Technikschau hinter dem Traktor von Heinz Kilz. "Die Strecke wäre doch zu lang geworden", schmunzelt der 75-jährige Mühlstedter. Auch er ein Feuerwehrmann der "alten Schule". Seit fast 60 Jahren dabei und mit drei silbernen Sternchen auf der Schulterpasse, hat der Senior nicht lange gezögert, als am Vortag noch die Anfrage kam: Heinz, kannst du mit dem Traktor kommen? Und so fährt das alte Modell in einer Reihe mit den Nachfolge-Generationen; mit dem Löschgruppenfahrzeug der "Freunde der Industriegeschichte" Ludwigsfelde aus dem Hause Daimler vom Baujahr 1940 und nachfolgenden Löschfahrzeugen, "Tankern" oder Einsatzfahrzeugen. Der kilometerlange Pulk zieht vom Mühlenbuschsportplatz am Schwimmbad über die Meinsdorfer Straße, Hauptstraße bis zur Dessauer Straße, schwenkt über Ziegelstraße und Eichendorffstraße vorbei am Schillerplatz über die Uhlandstraße in die Karl-Liebknecht Straße. Und dort ist das Hauptquartier der Freiwilligen Feuerwehr Roßlau, hier sind Feuerwache, Fahrzeughallen und Gerätehäuser. Hier findet am Gründungstag die große Party zum 135. Geburtstag der Feuerwehr Roßlau statt.

Empfangen von schmissigen Klängen des Roßlauer Spielmannszuges Blau-Weiß, finden sich die Gratulanten zusammen. In der ersten Reihe stehen Amtsbrüder und -schwestern der Kameraden. Die Berufsfeuerwehr Dessau-Roßlau ist dabei, wie auch Gäste der freiwilligen Feuerwehren aus Dessau-Alten, Meinsdorf, Mühlstedt, Streetz, Rodleben, Rietzmeck / Neeken, Hundeluft, Garitz / Kleinleitzkau, Bräsen und Kühnau.

Auf den weitesten Weg haben sich die Kameraden aus der Partnerstadt Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen gemacht. Wehrleiter Heiner Löpmeier überbringt die Grüße der Freiwilligen Feuerwehr, in der neben 150 Ehrenamtlichen auch 50 hauptamtliche Mitarbeiter wirken. Vor 25 Jahren, bekennt Löpmeier, habe man Roßlau höchstens von der Autokarte gekannt, ehe es 1988 kurz vor der Wende zu ersten Kontakten unter den Feuerwehrleuten kam. Neugier war dabei: Vor dem Fall der Mauer hatten beide Städte die gleiche Postleitzahl "4530". Diese deutsch-deutsche Kuriosität war der erste Ansatz, aus dem sich seither eine Städtepartnerschaft entwickelte zwischen Ibbenbüren und Roßlau, heute Dessau-Roßlau. Arbeitsbesuche gab es dann in den 90er Jahren, fest zusammengeschmiedet aber hat die beiden Feuerwehren vor sieben Jahren das Elbehochwasser. Heiner Löpmeier erinnert sich noch gut an die dramatische Woche im August. Seite an Seite mit Helfern aus der gesamten Bundesrepublik standen die Ibbenbürener im Kampf um die Deiche. "Zwanzig Mann waren eine Woche hier, haben sich mit den Roßlauer Feuerwehrleuten den Tag geteilt: Zwölf Stunden Tag- und zwölf Stunden Nachtschicht." Erfahrungen in dieser Extremform hatte aus Ibbenbüren keiner: "So ein Hochwasser kannten wir nicht." Heute erinnert an der Feuerwache eine mannshohe Sandstein-Stele an die gemeinsam geschlagene und gewonnene Schlacht gegen die außer Rand und Band geratene Natur: Vier ineinander verschlungene Hände hat der Ibbenbürener Steinmetz Georg Schröer in den Block gearbeitet. Die Sandsteinplastik war das Geschenk der Ibbenbürener zum 130. Roßlauer Feuerwehrgeburtstag im Jahr 2004. "Diesmal lassen wir es bei einem schmalen Geschenk, das ist leichter"; lacht Löpmeier bei der Übergabe eines Umschlags mit einer Spende an Wehrleiter Enrico Schammer. Der kann sich gleich im Anschluss noch freuen über Zuwendungen, die die Nachbarn vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum Motorenforschung (WTZ) überreichen. Mit Heidemarie Lucas vom WTZ reiht sich auch Hans-Joachim Mau vom Roßlauer Wirtschaftskreis in die Reihe der hochwillkommenen Spender.

Ohne Sponsoren werde es auch für die Feuerwehren immer schwieriger, ihren Auftrag im freiwilligen Dienst für die Allgemeinheit erfüllen zu können und den Nachwuchs in hochwertiger Qualität zu schulen, dankt Enrico Schammer den Festbesuchern. Und reicht den Staffelstab für die kurzen Festreden weiter an seinen Jugendfeuerwehrwart Thomas Ritter. Denn auch für die Roßlauer Jugendfeuerwehr rundet sich zur Hälfte ein Gründungstag. Der 15. ist es schon geworden, lacht Ritter, der derzeit 17 junge Feuerwehrleute ab zehn Jahren um sich schart. Mit dem 18. Geburtstag können die jungen Leute in den aktiven Dienst überwechseln. 2007, als Thomas Ritter das Amt übernahm, erreichten drei junge Leute die Altersgrenze, um als "Einsatzkräfte" aufsatteln zu können, 2008 waren es noch zwei, 2009 erreicht ein junger Kamerad die Volljährigkeit. In den nächsten Jahrgängen deutet sich ein "Geburtenknick"an. Was tun? Die Roßlauer haben da ein Idee. Und gründen die Kinderfeuerwehr.