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Kleingärtner sägen an ihren Tannen aus Zeiten der DDR

Von Wladimir Kleschtschow 16.11.2004, 17:15

Köthen/MZ. - Die Waldbäume in den Kleingärten stammen aus DDR-Zeiten. Im Laufe der Jahre sind niedliche Bäumchen zu Riesen geworden. Und zu Verlierern der deutschen Einheit, denn nach dem nunmehr auch im Osten gültigen Bundeskleingartengesetz darf es in einem Kleingarten keine Waldbäume geben. Also müssen die Schattenspender weg. So sieht es der Kreisverband der Gartenfreunde Köthen. "Gesetz ist Gesetz", so seine geschäftsführende Vorsitzende Regina Vieth. "Für die Bäume gibt es keinen Bestandsschutz."

Etliche betroffene Laubenpieper können das nicht verstehen. Die Tannen von Dieter Wegewitz wurden von seinem Schwiegervater von mehr als 20 Jahren gepflanzt. Sie bieten Unterschlupf und Schutz für viele Vögel. "Vielleicht hätte man eine andere Regelung treffen können", so Wegewitz. "Zum Beispiel, dass die bereits vorhandenen Bäume bleiben dürfen, eine Neupflanzung aber untersagt ist."

"Wir sind eine der letzten Sparten, die noch solche Bäume hat", sagte Vorstandsvorsitzende Brigitte Roth. " Im April machte uns der Kleingärten-Verband erneut auf dieses Problem aufmerksam. Deshalb haben wir jetzt diese Frist bis Ende Dezember gesetzt." Frau Rothe zufolge hätten sich etliche Mitglieder zuerst gegen eine Fällung gesträubt. Inzwischen seien aber die meisten Bäume bereits weg.

Auch Peter Hauke, Vorstandsvorsitzender der Sparte "Hohenköthen", findet es richtig, dass die Waldbäume aus den Gärten verschwinden. "Wir setzen dafür zwar keine Frist", sagte er. "Druck wird aber ausgeübt, zum Beispiel in den Mitgliederversammlungen. Denn die Mitglieder werden nicht jünger. Wenn ältere Menschen ihre Gärten mit Waldbäumen aufgeben, weil sie nicht mehr imstande sind, diese zu bewirtschaften, dann bleibt das Problem an der Sparte hängen."

Regina Vieth vom Kreisverband der Gartenfreunde sieht auch klare praktische Gründe dafür, dass die Waldbäume aus dem Sparten verschwinden. "Als Kleingärtner genießen wir eine Reihe von Vorteilen. Dazu gehört ein niedriger Pachtzins. Durch die Waldbäume könnten wir den Kleingärtnerstatus verlieren. Denn manch ein Verpächter könnte versucht sein, unsere Kleingärten zu Erholungsgärten erklären zu lassen, um die Pacht drastisch zu erhöhen. Im Landkreis Köthen sind solche Fälle noch nicht vorgekommen, im Land Sachsen-Anhalt aber schon." Frau Vieth machte außerdem darauf aufmerksam, dass große Bäume umfallen und Schäden anrichten könnten. Diese seien von der Versicherung nicht gedeckt.

Das Fällen der Bäume ist für die Betroffenen, die dies nicht selbst tun, mit hohen Kosten verbunden. Manche Firmen verlangen bis zu 600 Euro dafür - Entsorgung inklusive. Trotzdem sehen Regina Vieth, Brigitte Rothe und Peter Hauke da keine Alternative: Die Bäume müssen weg. Die "Köthener "Lebenshilfe" unterbreite günstigere Angebote, meinen sie. Oft würden auch Gartennachbarn helfen.