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Gesellenfreisprechung Gesellenfreisprechung: Kein Flirt auf den Dächern

Von Michael Deutsch 26.08.2004, 17:47

Köthen/MZ. - Dass Janine Dornemann, die aus Bernburg-Peißen stammt, beruflich hoch hinaus wollte, liegt wohl in der Familie: Ihr Vater ist Dachdeckermeister. "Schon als Kind schaute ich ihm bei seiner Arbeit zu, das gefiel mir", schwärmt die 19-Jährige und räumt ein, dass sie sich für Handwerksberufe jeher mehr interessiert habe, als für die frauentypischen Bürojobs. "Auf keinen Fall wollte ich Sekretärin werden, wie meine Mutter", verdsichert Janine und erzählt von ihrem ersten Praktikum im väterlichen Betrieb. Bezüglich ihres ersten Dachausflugs rückt Janine Dornemann nur langsam mit der Sprache raus: "Klar schlotterten mir die Beine, als ich da oben stand", sagt sie und wird gefühlsmäßig gleich wieder standfester. "Mittlerweile ist das alles Routine."

Als Janine Dornemann 2001 ihre Ausbildung beim Vater antrat, ahnte niemand, dass die Dachdeckerfirma ein Jahr später pleite gehen sollte. Noch im ersten Lehrjahr, musste sich Janine nach einem neuen Ausbildungsbetrieb umschauen. "Ich habe mich bei vielen Firmen beworben - doch niemand wollte einen weiblichen Azubi übernehmen", übt die junge Frau Kritik. "Nur die Alldach GmbH in Köthen gab mir eine Chance."

"Wir übernehmen oft Lehrlinge aus Insolvenzbetrieben", sagt Ines Hoinkes, kaufmännische Geschäftsführerin der Alldach GmbH. "Allerdings hatten wir bei Janine schon Bedenken, dass die Betriebsabläufe gestört werden könnten." Gestört? Frau Hoinkes hilft auf die Sprünge: "Na das Flirten auf dem Dach, meine ich." Arbeit schützt vor Liebe nicht. Doch die Sorge war unbegründet. Genau wie die Angst vor körperlicher Überforderung. Janine stand ihren männlichen Kollegen in Nichts nach. "Sie war bislang unser bester Lehrling", lobt die 42-Jährige. Deshalb durfte sie dieses Jahr das Gewerk auf der halleschen Saalebau-Messe vertreten.

Selbst die Männer vom Fach auf dem Dach staunen. "Janine hat ein gutes Händchen für feine Dacharbeiten", weiß Alldach-Geschäftsführer und Handwerksmeister Alfred Hädicke.

Dennoch ist er überzeugt, dass die Dachdeckerarbeit kein typischer Frauenberuf ist. "Die körperlichen Strapazen sind einfach zu groß."

Auf die Dächer will die frisch gekürte Gesellin vorerst nicht mehr kraxeln. Janine Dornemann hat sich für einen Meisterlehrgang entschieden. "Hoffentlich schaffe ich den Abschluss, dann wäre ich auch noch die jüngste Meisterin der Innung", sagt sie und ist skeptisch. Doch warum? Bekanntlich ist ja noch kein Handwerksmeister vom Himmel gefallen.