Feierstunde auf dem Friedhof I Feierstunde auf dem Friedhof I: Gedenken an Architektin Dinkelmann-Möhring
Dessau - Ihr Name, Beruf und ihre Lebensdaten sind in einem Stein aus Belgisch Granit verewigt. Es ist eine Originalplatte aus den 1920er Jahren, wie sie einst der jungen Architektin Edith Schulze als Urnenfach-Abdeckung für das von ihr entworfene und in Dessau errichtete Portal-Kolumbarium vorgeschwebt haben muss.
In der Feierstunde erinnerte gestern u.a. Klemens Koschig an die Leistungen der Architektin Edith Dinkelmann. „Dies ist eine besondere Stunde für die zur Zeit von fragwürdigen Gutachten geschmähte Stadt. Eine weltgewandte Künstlerin kehrt in die von ihr geliebte Stadt zurück, die sie so gern wieder aufgebaut hätte. Und Dessau hätte mit dem wieder aufgebauten Großen Markt auch wieder eine Mitte gehabt, die wir heute so schmerzlich vermissen.“
Dass noch eine einzige dieser schwarzen Steinplatten im Originalbestand vorhanden war, klingt nach über 90 Jahren fast mystisch. „Als habe die Platte auf die Architektin gewartet“, meint Volker Wotzlaw, Geschäftsführer der Dessauer Steinmetz-werkstätten und weiß, wie der Begräbnisplatz auf dem Dessauer Friedhof I noch vor einigen Monaten ausgesehen hat. Das dortige Portal-Kolumbarium war halb zerfallen. Die Steinmetze konnten nun zwar keine Generalsanierung durchführen, aber es wieder instand setzen.
Spenden machte Sanierung möglich
Die Nachfahrin der einstigen Dessauer Baurätin und Architektin Edith Dinkelmann (geborene Schulze; 1896 - 1984) hat 20.000 Euro für die Wiederherstellung des unter Denkmalschutz stehenden Portal-Kolumbariums auf dem Dessauer Friedhof I gespendet. Diese Spende sowie weitere finanzielle Mittel der Dessauer Friedhofsverwaltung machten umfangreiche Instandsetzungsarbeiten möglich. Diese sind inzwischen abgeschlossen. Das Kolumbarium wurde gestern während einer Feierstunde übergeben. Darüber hinaus schloss sich für die Spenderin, Dore Dinkelmann-Möhring, ein ganz persönlicher Kreis. Dinkelmann-Möhrings Mutter, die seit jungen Jahren eng verbunden mit Dessau war, ist gestern im Kolumbarium beigesetzt worden.
Zwischen Mutter und Tochter war Dessau auch nach dem Weggang und dem Leben in Waldbronn (Baden-Württemberg) immer ein Thema geblieben. Bevor Edith Dinkelmann 1984 starb, „war es jedoch noch unrealistisch, über eine Rückkehr zu spekulieren“, sagte Tochter Dore und weiß, dass die Familie Dinkelmann viele Erinnerungen mit dem Friedhof I verbindet. Während des Kolumbarium-Baus hatte die Architektin auf dem Friedhofsgelände ihren späteren Ehemann kennengelernt. Tochter Dore schließlich lernte später an der Mauerschule, direkt neben dem Friedhof.
Dinkelmann hinterlässt etliche Spuren
Edith Dinkelmann hat in Dessau als Architektin etliche Spuren hinterlassen. Nicht nur die Urnengrabanlage auf der sich an den historischen Friedhof anschließenden Ruhestätte stammen von ihrem Zeichenbrett. Im Februar 1920 bekam die noch unverheiratete Edith Schulze ihre erste Anstellung als Architektin bei der 1919 gegründeten Siedlungsgesellschaft Dessau. Drei Jahre arbeitete sie dort und war mit den Planungen des „Achtecks“ und des Giebelwegs befasst. Baugeschichtlich folgte die Planung der Siedlung „Hohe Lache“ dem Reformgedanken der Gartenstädte zu Beginn den 20. Jahrhunderts. Als Angestellte im Stadtbauamt plante und baute sie u.a. ein Wohnhaus in der Rabestraße und das Dienstgebäude auf dem Schlachthof (Denkmalschutz). Die größte Herausforderung war aber die Umgestaltung auf dem FriedhofI., erzählt ihre Tochter.
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Dinkelmann - inzwischen in Leipzig lebend - zurück nach Dessau und wollte beim Wiederaufbau der Residenzstadt helfen. Sie wurde Baurätin, leitete das Denkmalamt und bekam u.a. den Auftrag, die Buden vor der Marienkirche am Schloßplatz wieder aufzubauen. Auch am Bahnhofsvorplatz und am Leipziger Torhaus hinterließ sie ihre Handschrift. Als Leiterin des Planungsamtes hatte sie den Bau einer Diagonalstraße vorgeschlagen, die die Albrechtstraße mit der Kavalierstraße verbinden sollte.
Als sich die politischen Verhältnisse änderten, das Stadtschloss gesprengt wurde und an einen Wiederaufbau der Buden an der Marienkirche nicht mehr zu denken war, verließ Edith Dinkelmann die Stadt über Berlin in Richtung Westen. In Waldbronn wird sie später heimisch. Dessau blieb unvergessen und unerreicht. Bis zur Wende Tochter Dore den Kontakt wieder aufnahm und nun einen entscheidenden Schritt getan hat. Um an die Leistungen einer Frau zu erinnern, die sich in einer Männerdomäne behauptete und die Sehnsucht nach Dessau hatte. (mz)