Fahrzeugtechnik Dessau insolvent Fahrzeugtechnik Dessau insolvent: 120 Jahre Waggonbau enden

Dessau-Roßlau - In die hohen, langen Produktionshallen der Fahrzeugtechnik Dessau (FTD) passen ganze Züge. Derzeit werden in dem Werk am Rande der Stadt allerdings nur noch einzelne Straßenbahnen überholt.
Dieser Auftrag ist in wenigen Wochen abgearbeitet, weitere Großprojekte stehen nicht in den Auftragsbüchern. Passiert nicht noch ein kleines Wunder, indem sich doch noch ein Investor findet, endet im Spätsommer die mehr als 120-jährige Tradition des Bahnbauers.
Insolvenzverwalter Lucas Flöther kündigte am Dienstag den noch verbliebenen 73 Beschäftigten. „Wir haben mehrere Gespräche mit potenziellen Investoren aus der Branche geführt“, sagte Flöther der MZ.
Doch es gebe bis heute kein verbindliches Angebot. Da das Unternehmen weiter hohe Verluste schreibt, zieht Flöther nun die Reißleine.
Auch das Wirtschaftsministerium konnte nicht helfen
In den vergangenen Wochen verließen bereits mehr als 30 Mitarbeiter auf eigenen Wunsch den Betrieb. „Wir haben aber weiter gehofft, dass eine Rettung möglich ist“, sagt Frank Jahns, Gewerkschaftssekretär der IG Metall.
Jahns war am Dienstag mit dem Betriebsrat im Wirtschaftsministerium in Magdeburg und bat um Unterstützung bei der Investorensuche. „Wir wollen nichts unversucht lassen“, so der Gewerkschafter.
Der Zug-, Waggon-, und Straßenbahnbauer befindet sich seit Jahren im Niedergang. Anfang März meldete das Unternehmen Insolvenz an - es war die dritte innerhalb weniger Jahre.
Als Flöther die Geschäfte übernahm, waren bereits hohe Lohnrückstände aufgelaufen, die Stadtwerke hatten den Wasserhahn abgedreht. Nur durch den teilweisen Verzicht auf ausstehende Gehälter durch die Beschäftigten konnte sich die Firma überhaupt noch etwas Luft verschaffen.
Krisenerprobt sind die Beschäftigten. Zunächst musste das Unternehmen 2008 Insolvenz anmelden. Der Waggonbau-Nachfolger hatte mit dem „Protos“ einen eigenen Regionalzug entwickelt. Doch die erhofften Aufträge blieben aus.
Anschließend wollte ein rumänisches Unternehmen in Dessau Züge für Osteuropa fertigen. Doch der Plan scheiterte, im März 2012 war die Firma erneut pleite.
Transtec Vetschau kaufte das Werk und setzte auf Straßenbahnen und Güterwaggons. Doch der Mittelständler mit damals 160 Mitarbeitern konnte sich am Markt nicht durchsetzen.
Die richtige Nische nicht gefunden
Die Dessauer haben es nach Ansicht der Bahn-Expertin Maria Leenen vom Hamburger Beratungs-Unternehmen SCI Verkehr nicht geschafft, sich eine lukrative Nische im Markt zu suchen.
Die Bahntechnik-Branche hat sich nach Angaben von Leenen in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert. Hätten früher nationale Bahn-Gesellschaften mit nationalen Zug-Herstellern und Zulieferern dominiert, so bedienten heute die Produzenten globale Märkte.
Zudem seien in China große Schienenfahrzeugbauer entstanden, die auch ausländische Märkte etwa in Südeuropa bedienen. Laut Leenen gibt es daher Überkapazitäten im Markt. Darunter leiden auch die großen Hersteller. Zuletzt gab Bombardier bekannt, in den sächsischen Werken Bautzen und Görlitz 930 Jobs zu streichen.
In diesem Umfeld einen Investor für FTD zu finden, hält Leenen für schwierig. Die letzten drei Pleiten wirken auf Investoren zudem eher abschreckend.
Viele gute Ingenieure und Facharbeiter haben die Firma bereits verlassen. Flöther arbeitet daher auch an einem Plan B. So gibt es Gespräche mit Mitarbeitern und Kunden, kleine Einheiten aus dem Unternehmen herauszulösen. Diese sollen dann eigenständig arbeiten. FTD als Ganzes ist wohl Geschichte.