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Experten bemängeln das Fehlen des Bewirtschaftungskonzepts zur Elbe

Von THOMAS STEINBERG 26.10.2008, 18:11

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Die Probleme wurden erst später offenbar: Der Rhein floss doppelt so schnell, die Hochwasser suchten Köln umso heftiger heim, der Fluss grub sich ein, der Grundwasserspiegel sank, die Auen trockneten aus.

Elbe trägt eine Million Tonnen

Heute ist der Rhein die wichtigste Wasserstraße Deutschland; 80 Prozent des Binnenschiffverkehrs finden hier statt. Die Elbe hingegen bringt es auf gerade ein Prozent, was rund einer Millionen Tonnen pro Jahr entspricht.

Es sollte mehr sein, sagt Thomas Menzel, Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost. Der Hamburger Hafen benötige die Kapazitäten auf der Elbe. Und seine Behörde sei letztlich vor allem dafür zuständig, für die Elbe eine Fahrtrinne von mindestens 1,60 Meter Tiefe herzustellen.

Menzel gehört zu den Fachleuten, die von der Evangelischen Landeskirche Anhalts zum 3. Elbe-Symposium ins Kornhaus eingeladen wurden, um ein "Gesamtkonzept Elbe" zu diskutieren. Das Ziel umriss Präsident Helge Klassohn: Es müsse darum gehen, Wirtschaft, Binnenschifffahrt, Tourismus und Anwohner auf Basis neuester Forschungsergebnisse miteinander ins Gespräch zu bringen.

Die Chancen dafür scheinen dafür etwas besser als vor einigen Jahren, als Vertreter der Wasser- und Schifffahrtsbehörde einen Klimawandel und die Gefahren einer austrocknenden Aue glatt als Hirngespinst abtaten. Wenngleich solche Töne heute von offizieller Wasserbauerseite nicht mehr zu hören sind und zumindest an einzelnen Stellen versuchsweise ökologische Belange bei der Erneuerung oder dem Ausbau etwa von Buhnen berücksichtigt oder einzelne Altarme angeschlossen wurden - es fehle, wie Martin Pusch vom Institut für Geoökologie und Binnenfischerei Berlin beklagt, das übergreifende Bewirtschaftungskonzept.

Das aber sei nötig, sekundiert Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Magdeburg. Die Elbe sei der einzige große Fluss in Deutschland mit einem guten ökologischen Status und ein genesender Patient - ein Rückfall nicht ausgeschlossen, obwohl die Europäische Wasserrahmenrichtlinie genau diesen verhindern soll.

Borchardt ist nicht der einzige, der am Sonnabend die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken für die Elbe heraufbeschwor: Gerade die absehbar stark schwankenden Abflussmengen (vermehrte Hochwässer im Winter, extreme Niedrigwasser im Sommer) und der Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft, gefährdeten die biologische Vielfalt.

Naturschutzprojekt gefährdet

Dabei ist deren Erhalt Thema eines Ende vorigen Jahres verabschiedeten Strategiepapiers der Bundesregierung, dem Beate Jessel als Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz ebenso Respekt zollt wie dem Ökologieerlass des Bundesverkehrsministeriums. In der Praxis allerdings, so ihre Kritik, zeigen die Papiere nicht die gewünschte Wirkung: der geplante Elbe-Saale-Kanal gefährde zum Beispiel das Elbe-Naturschutzgroßprojekt zwischen Dessau und der Saalemündung, das vom WWF getragen und größtenteils vom Bund finanziert wird. Schon jetzt verschwinde durch die Eintiefung der Elbe geschützter Silberweidenwald, die Hartholzaue rücke nach. Jessels Kritik: es bestehe ein Missverhältnis zwischen Verkehrsaufkommen und ökologischen Eingriffen. Ihre Forderung: Naturschutz und Landeskultur müssten in die Unterhaltungskonzepte integriert und Alternativlösungen gesucht werden.

Eines der Hauptprobleme, die der Entwicklung integrierter Konzepte im Wege stehen, sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten: Die Wasserstraßen etwa sind Sache des Bundes. Für den Hochwasserschutz sind die Länder zuständig ebenso wie für den Umweltschutz oder den Tourismus.

Bahn sieht Reserven

Und bislang konnte die Politik nicht einmal dort ein überzeugendes Konzept vorweisen, wo sich der Bund mit Milliardeninvestitionen beteiligt hat: Während Menzel indirekt ausreichende Transportkapazitäten der Bahn bestritt, beteuerte ein Bahnmitarbeiter, entlang der Elbe könne die Bahn, wenn gewünscht, noch wesentlich mehr Güter transportieren.