Ein Ort kämpft um seine Wäscherolle
Vockerode/MZ/ab. - 1939 - im gleichen Jahr werden die meisten Häuser der Vockeroder Kraftwerkssiedlung errichtet - kommt das Fabrikat aus dem Hause "Drehrollen-Steiring", einem Spezialbetrieb im Berliner Nordosten, in den Ort. Und noch heute wird sein Elektromotor bei Bedarf angeworfen. Ein zwar technisch bewundernswertes Geschehen, doch inzwischen ohne jeden Gebrauchswert? Nicht für etliche Vockeroder der älteren Generation! Ungeachtet des ständigen Fortschritts hinsichtlich Design und Bedienung von Wäschetrocknern und Bügeleisen mögen sie auf die gute alte Methode des Wäscherollens nicht verzichten. Ursel Ziegenhagen und Werner Hosan beispielsweise schwören auf die mit der Rolle zu erzielenden Resultate.
Doch womöglich wird diese Art der schonenden Behandlung von feiner Bettwäsche und edlen Damasttischdecken zum Aussterben verurteilt sein. Vockerodes Bürgermeister Rüdiger Schmidt (SPD) hat kürzlich den Gemeinderat informiert, dass der Stromversorger enviaM gedenke, "das Häuschen mit der Wäschemangel" abzureißen. Was daraus für die beeindruckende Maschine folgt, kleidete Schmidt in eine knappe Frage: Verschrottung oder Umsetzung?
Vorstellbar sind für Elfriede Rast weder die eine noch die andere Alternative. Schade wäre es, wenn die Anlage verschwände, meint sie. Schließlich erfülle sie nach wie vor ihren Zweck zur vollsten Zufriedenheit ihrer Nutzer. "Die Alten rollen immer noch regelmäßig", merkt die Vockeroderin an, die die Obhut über die Wäscherolle von ihrem Vater Ernst Veit quasi als ein Teil seines Erbes übernahm.
Kurz nach den Weihnachtsfeiertagen 1954 war es, da erhielt Veit ein Schriftstück zur Kenntnis, das ihn zum Verwalter der Rolle bestimmte. Hinfort sollte er sich täglich von ihrem Zustand überzeugen, den Raum sauber halten und die Wartung des Geräts vornehmen. Veits Entschädigung bestand aus den kassierten Rollengeldern. Das waren 20 Pfennige in der Stunde.
Heute steckt der Schlüssel zum Domizil der Rolle in einem kleinen Sparschwein. Das blau-weiße Porzellantier dient als Kasse des Vertrauens, denn der Strom, der die mächtige Maschine antreibt, läuft über den privaten Zähler der Familie Rast. Hausherr Günter Rast hat eine Leitung über den eigenen Garten hinweg bis zum Motor in die frühere Umspannstation gelegt.
Dies ist nicht die einzige Investition, welche der 65-Jährige gemeinsam mit seiner Frau auf sich nahm. Elfriede Rast erzählt von der aufwändigen Suche nach einem neuen Antriebsgurt. Jenseits der Elbe in Klieken wurde man fündig, wo ein Geschäft für landwirtschaftliche Gerätschaften über das gewünschte Ersatzteil verfügte.
"Wir haben in die Rolle reichlich Arbeit gesteckt und auch finanziell wirklich schon viel veranstaltet. Da klingt in meinen Ohren das Wort ,verschrotten' richtig fies", macht sich Elfriede Rast Luft. Sie hofft, dass noch nichts endgültig entschieden ist und sich die enviaM eventuell darauf beschränkt, bloß den Turm abzureißen. "Das Häuschen selbst stört niemanden", pflichtet ihr der Gatte bei. Nachbar Werner Hosan hält es für ein Glück, dass die Rolle noch steht. Ein Abriss wäre in seinen Augen Wahnsinn. "Die hat Altertumswert", merkt der Vockeroder an. Und er steht mit der Einschätzung nicht allein.
Angesichts des Festhaltens an einer örtlichen Tradition scheint sich sogar eine ungewöhnliche Situation anzubahnen: Um die Rolle zu erhalten, tragen sich deren Anhänger mit dem Gedanken, die Denkmalschützer einzuschalten.