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Dessauer Trennwand-Bau GmbH Dessauer Trennwand-Bau GmbH: Der Möbelbauer will ganz neue Wege gehen.

Von Annette Gens 20.10.2015, 14:48
Bernd Brinkmann mit Entwürfen für den Möbelbau.
Bernd Brinkmann mit Entwürfen für den Möbelbau. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Wenn viele Leute am Tisch sitzen, kann es passieren, dass die Tischbeine stören. Man stößt sich die Knie und kann nicht bequem die Beine ausstrecken. Das störte auch Bernd Brinkmann. Der Nordrhein-Westfale entwickelte einen Tisch, bei dem die Beine variabel sind. Stufenlos kann man die schrägen Beine verschieben, je nachdem, wie es für die Personenanzahl und die Sitzordnung am Tisch am besten ist. Außerdem entwickelte Bernd Brinkmann Stühle, bei denen er ausgediente Fahrradrahmen verwendet - eine originelle Recycling-Idee. Das alles wurde in der MDR-Sendung für Tüftler „Einfach genial“ vorgestellt. Das war im März 2015.

Voraussetzungen stimmen

Wenige Monate später sitzt Bernd Brinkmann in Dessau und sagt: „Ich will es noch einmal wissen.“ Der Mann aus Verl bei Gütersloh hat mit der Dessauer Firma Trennwand Bau GmbH Partner gefunden, die es nicht nur wissen wollen, sondern laut Brinkmann „auch können“. Es geht um Möbelbau, Trennwand Bau Dessau GmbH will sich ein neues Geschäftsfeld erschließen. Brinkmann ist mit im Boot.

„In Dessau traf ich auf kompetente und motivierte Mitarbeiter. Die Firma hat technisch die Voraussetzungen für den Möbelbau - alles stimmt“, freut er sich über seine neue Aufgabe.

Länger schon hatte Trennwand Bau mit Sitz im Mildenseer Eichengarten über die Erschließung weiterer Geschäftsfelder nachgedacht. Die 30 Mitarbeiter verarbeiten (und vertreiben) neben Spanplatten ein spannendes Material, das sich HPL (High Pressure Laminate) nennt. Bei den Platten werden mehrere Melamin- und Phenol-Harz getränkte Papiere unter Druck und mit einer Deckschicht miteinander verpresst. Das Material wird in Mildensee u.a. zum Bau von Sanitärtrennwenden und Kabinenschränken, wie sie beispielsweise Schwimmhallen und Freizeiteinrichtungen benötigen, eingesetzt.

Nach Aussage des Focus-Magazins lässt es sich in Dessau-Roßlau nicht gut leben. Doch stimmt das? Was bewegt Menschen, ausgerechnet hier zu investieren, ihre berufliche Zukunft auf- und auszubauen. Welche Potenziale sehen sie am Wirtschaftsstandort Dessau? Der Anhalt-Kurier geht dieser Frage nach und stellt in der Serie „Dessau-Roßlau lohnt sich“ Zuzügler und Rückkehrer nach Dessau- Roßlau vor, die sich für den Wohnund Arbeitsort Dessau-Roßlau entschieden haben.

Sie wagten hier den Schritt in die Selbstständigkeit, nahmen eine leitende Position in einem aufstrebenden Dessauer Unternehmen ein, übernahmen hier eine Firma oder übersiedelten mit ihrer Firma hierher oder sie wünschen sich eine Rückkehr in ihre Heimat Dessau-Roßlau.

Nach dem Auftakt der MZ-Serie mit einem Interview mit Andrea Gebhardt, der Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Marketing (MZ vom 15. August), dem Porträt über Oliver Ullmann (22. August), der aus Hanau nach Dessau gekommen ist, um eine Physiotherapie aufzubauen, wurde Sascha Wetzel vorgestellt (1. September). Aus München zurückgekommen, baute er vor fünf Jahren seine Firma Wetzel Oberflächentechnik GmbH in Roßlau auf.

Stadtwerke-Mitarbeiter Frank Eichelmann (12. September) arbeitete nach dem Studium in Darmstadt, bevor er sich in seiner alten Heimat bewarb. Thomas Weymer kam aus dem Westerwald in die Bauhausstadt zum Schaltschrankbau (19. September). Bernd Kirchner wiederum hat die Dessauer Systemmöbel übernommen und kündigte Millionen-Investitionen an (26. September).

Durchschnittlich 14.000 Sanitärkabinen werden pro Jahr in Dessau hergestellt. HPL taugt aber zu viel mehr und „es liegt im Trend“, sagt Brinkmann. Ihm ist es gelungen, mit Jochen Flacke einen namhaften Designer der Möbelbranche für das Projekt zu gewinnen, nach dessen Entwürfen die 1998 gegründete Trennwand Bau künftig auch Möbel und Regalsysteme produzieren will. Made in Dessau. Flankiert wird der Start von einem namhaften Unternehmer der deutschen Möbelbranche, der im Dezember zum Dessauer Unternehmer-Frühstück offiziell die Trennwand-Tochter Tamesis aus der Taufe heben wird.

Dass Brinkmann so namhafte Leute hinter sich weiß, die helfen, muss nicht wundern. Weit über 30 Jahre ist der heute 57-Jährige in der Möbelbranche Zuhause. Bernd Brinkmann, Jahrgang 1957, ist ein „Kind“ von Möbelhersteller Flötotto in Gütersloh-Friedrichsdorf. Von Flötotto aus wollte er einmal in Rente gehen. Doch es kam anders. Flötotto kam in Schwierigkeiten und geriet zweimal in die Insolvenz. Das Unternehmen wurde nach der zweiten Insolvenz unter anderem mit Hilfe von Brinkmann neu aufgestellt. Doch nach gut drei Jahren kam es zwischen dem Inhaber und ihm zu Differenzen, Bernd Brinkmann wurde 53-jährig entlassen. Der Schock saß tief: „Flötotto – das war doch unsere Familie“, betont er.

Der Neustart vor mehreren Jahren wird für ihn schwierig, er ist aber dennoch optimistisch. Er ruft mit einem Verwandten einen Online-Shop ins Leben. Er zeigt darüber hinaus, wie aus recyceltem Material schicke Möbel entstehen und er tüftelt unter anderem an eben jenen Tisch, den er in „Einfach genial“ vorstellt. Als schließlich das deutsche Wirtschaftsmagazin „Brand eins“ 2013 seine Geschichte aufschreibt, wird man in Dessau auf den Nordrhein-Westfalen aufmerksam.

Zielgruppe steht fest

Zunächst ist es ein loser Kontakt, später mehr, und jetzt sogar eine Festanstellung. Brinkmann ist der Mann, der dem Tochterunternehmen Tamesis auf die Beine helfen will. Das gleichnamige Möbelprogramm, das entsteht, ist „für den gehobenen Fachhandel und hauptsächlich für Innenarchitekten“ gedacht. Letztere könnten ihre Kundenwünsche äußern. Langfristig, so wünscht sich Brinkmann, soll eine neue Marke kreiert werden, die Möbel anbietet - zeitlos und schön. Das Portfolio reiche vom Büro bis in die Privatwohnung und darüber hinaus. Brinkmann hat dabei im Hinterkopf, dass das Material HPL sich ebenfalls gut für den Outdoor-Bereich eignet. „Dass das Wohnzimmer im Garten liegt, ist voll im Trend. Die Leute investieren aus aktuellem Weltgeschehen heraus wieder mehr in ihr Umfeld. Und HPL ist unverwüstlich.“

Drei Monate pendelt der Mann, der in der Möbelbranche beruflich gewachsen ist, zwischen Sachsen-Anhalt und seinem Heimatbundesland. Mehrfach in den letzten 25 Jahren habe er sich im Osten aufgehalten. Die Menschen aber habe er erst jetzt durch die neue Arbeit richtig kennengelernt.

Angenehm überrascht

„Ich bin sofort klargekommen und wurde als einer unter gleichen akzeptiert“, sagt er und weiß andererseits, dass zwischen Dessau und Gütersloh Welten liegen. „Bei uns ist Leben in der Stadt, in Dessau zieht die Jugend immer noch der Arbeit nach.“ Andererseits freut sich der 57-Jährige, dass doch in der „Stadt vieles in Schuss ist“. Brinkmann will bleiben. Das neue Projekt zieht und Trennwand motiviert. „Die können das“, ist er sicher. „Wir schaffen das.“ (mz)