Bundesliga-Torhüterin aus Roßlau Bundesliga-Torhüterin aus Roßlau: Anna hat die Heimat nicht vergessen

Roßlau/MZ - So ganz sicher sind sich die zwei Damen von der Seitenlinie nicht. Es ist ja auch schwierig, sie stehen am anderen Ende des Spielfelds, anscheinend eher mit beiläufigem Interesse. „Ist das die Sarholz?“, fragt die eine. „Hmm“, zweifelt die andere. Zwei, drei Schritte in Richtung des Grüns, ein prüfender Blick. „Ja“, herrscht Gewissheit, „das ist sie, das ist die Sarholz.“
Anna Felicitas um genau zu sein: Junioren-Europameisterin, dreimalige Deutsche Meisterin, Champions-League-Siegerin, selbst ernannte „coole Sau“ - und bei Germania Roßlau viel mehr als nur „die Sarholz“.
Lange Verletzungsmisere
Über dem Roßlauer Elbesportpark weht an diesem Samstagnachmittag Ende Juni ein kalter Wind. Der SV Germania veranstaltet sein Vereinsfest - und die Torhüterin des SV Turbine Potsdam ist dabei. Sie ist hier noch immer zu Hause. Sie war eigentlich nie weg. „Ich habe dem Verein einfach viel zu verdanken“, sagt Sarholz, „hier habe ich viel gelernt.“
Aber der Reihe nach: Geboren wurde Anna Felicitas Sarholz am 5. Juli 1992 in Köln. „Meine Eltern haben sich getrennt“, sagt sie, „dann bin ich mit meiner Mutter nach Roßlau gekommen.“ Beim SV Germania stand Sarholz von 2000 an im Tor, spielte mit dem Team in der D-Jugend-Verbandsliga, pendelte eine Zeit lang zwischen Potsdam und ihrer Heimat. 2006 ging es endgültig zum 1. FFC Turbine Potsdam, Sarholz wurde mit dem Team zweimal deutsche Nachwuchsmeisterin. Wenig später sah man sie auch im DFB-Dress. Die Frau mit den vielen Tattoos („Es kommen auf jeden Fall noch mehr dazu“) hatte es auf die ganz große Bühne geschafft.
Talent und Wahnsinns-Ehrgeiz
„Ich habe schon in der E-Jugend gesagt, dass Anna Nationalspielerin wird“, erzählt Heiko Buchmann, „sie hatte das Talent und diesen Wahnsinns-Ehrgeiz.“ Buchmann ist Nachwuchsleiter in Roßlau - und hat Anna hier früher trainiert. „Der Kontakt ist nie abgerissen, sie kommt immer wieder“, freut sich der Übungsleiter, „so viel können wir also nicht falsch gemacht haben.“ Er war dabei, als sich Sarholz mit dem DFB-Team im französischen Nyon den Europameisterschafts-Titel sicherte. Zweimal gelang ihr das: 2008 und 2009. Er hat verfolgt, wie sie im Champions-League-Finale 2010 zur Heldin wurde (siehe „Das Spiel ihres Lebens“). Und Buchmann besucht seine ehemalige Spielerin auch heute noch, zumindest ab und an. Etwa eine Stunde Fahrzeit trennen Roßlau und Potsdam.
Dass Anna Felicitas Sarholz in der vergangenen Bundesliga-Saison fünf Spiele gemacht hat, „damit habe ich selbst gar nicht mehr gerechnet“, sagt die ehrgeizige Torhüterin. Sie war nämlich verletzt - und das in den vergangenen Jahren nicht nur einmal. Im Champions-League-Finale 2011 brach sich Sarholz den Mittelfuß. Einen Tag vor dem Start der darauffolgenden Saison kam es zu einem schweren Fahrradunfall.
Die Diagnose: Kahnbeinbruch (ein Handwurzelknochen) im linken Handgelenk. Die Torfrau wollte sich allmählich zurückkämpfen, stieg nach erfolgreicher Heilung wieder ins Training ein - und bracht sich das Kahnbein an gleicher Stelle. 2012 kehrte sie auf das Spielfeld zurück, gewann mit Potsdam den Hallenpokal - und brach sich zum dritten Mal das Kahnbein. Später kam eine Erkrankung am Herzbeutel hinzu. „Ich habe in meinen jungen Jahren schon viel mitgenommen“, sagt die 22-Jährige, „das reicht jetzt aber auch für den Rest meiner Karriere.“
Erwachsen geworden
Am Ende der Saison 2013/2014 stand sie wieder im Turbine-Tor. Coach Bernd Schröder glaubt an Anna Felicitas Sarholz, die am Samstag ihren 22. Geburtstag feiert. „Der Trainer hat mir sein Vertrauen geschenkt“, sagt sie, „das ist eine sehr coole Geschichte.“
Im Moment ist Sommerpause. Ein bisschen Laufen, Inline-Skaten, Fahrradfahren, um sich fitzuhalten. Und in Roßlau Fußball spielen, zumindest heute. Im Sturm, nicht im Tor, mit den Männern. Sie kann locker mithalten, natürlich.
Sarholz ist erwachsen geworden. „Aus den schweren Zeiten nimmt man mehr mit als aus den guten“, sagt sie. Und dann fällt ein Satz, der perfekt zu ihr passt: „Du darfst auf die Fresse fliegen, aber Liegenbleiben ist verboten.“ Ihre Ziele für die kommende Saison? „Wir wollen uns wieder für die Champions League qualifizieren.“ Und natürlich: „Verletzungsfrei bleiben.“ Auf ein „Mach’s gut“ zum Abschied entgegnet sie ein lässiges „Mach’s besser“ und geht. Cool und bestimmt, ein bisschen verrückt. Anna eben.