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Brasilien aus dem Röhrchen

Von Thomas Altmann 24.01.2007, 17:01

Roßlau/MZ. - Es duftet vor der Tür zur Sakristei. Drinnen, im Topf auf dem Herd in der Küche der St. Marien Kirche Roßlau köchelt Carreteiro, eigentlich eine Montagsmahlzeit am Dienstagabend, das klassische Resteessen vom Sonntag. In diesem Falle aber ist frisches Fleisch im Topf, Reis, Tomaten Oregano, viel Knoblauch auch. Es kochen fünf Studentinnen der Unisios Universität in Sao Leopoldo. Lehrerinnen wollen sie werden, unter anderem Portugiesisch und Deutsch unterrichten.

Der Besuch brasilianischer Studentinnen in Roßlau hat längst Tradition. Hier liefen und laufen die Fäden über Pfarrer i. R. Gerhard Pfennigsdorf zum Gustav-Adolf-Werk, welches den Kontakt zu Gastfamilien, also einen Schnupperkurs in Sachen deutsches Familien- und Gemeindeleben organisiert, sowie einen zweiwöchigen Lehrgang in Leipzig finanziert. Methodik, Didaktik, Landeskunde und Kultur standen da auf dem Programm.

Zur Begrüßung in der Sakristei wird Chimarrao getrunken, oder besser gesogen, und zwar durch ein Metallröhrchen. Cuia heißt der imposante Kelch, der randvoll mit Blättern, oder besser Teilen von Blättern des Baumes Erva Mute gefüllt ist. Heißes Wasser wird immer wieder aufgefüllt. "Normalerweise mögen es die Leute nicht", sagt Micheli. "Wir auch nicht." Aber irgendwann mache es süchtig. Chimarrao schmeckt wie dicker grüner Tee, oder auch anders. Dann schmeckt's der Gemeinde. Caipirinha zur zweiten Runde: Zitrone, Zucker, Eis, Rohrzucker-Schnaps.

Und alle essen. Bohnen und Reis nehmen in Brasilien etwa die Stelle ein, welche in Deutschland der Kartoffel zukommt. Drei Gänge werden aufgetragen: Bohnensuppe, Carreteiro und Mangocreme. Das schmeckt alles recht temperamentvoll. Nach dem Essen stellen sich die Köchinnen vor. Deutsche Familiennamen hört man da, bis auf eine Ausnahme. Die Universität Unisios ist eine private Universität in Trägerschaft der Jesuiten. Wer Lehrer werden wolle, bekomme die Hälfte der Studiengebühren erlassen. Die andere Hälfte zahle die deutsche Zentralstelle für das Auslandsschulwesen mit Sitz in Köln. Diese Institution finanzierte auch die Reise. Die Zahl der Reisenden hat sich freilich verringert.

Dann wird ein Spiel gespielt, Fragen zur Landeskunde. Diesmal also gab es keine Berichte über das brasilianische Bildungssystem, über die soziale Zustände im Land. Interessant wäre das, weil der südamerikanische Kontinent zur Zeit beinah flächendeckend den Sozialismus erprobt, in ganz verschiedenen Variationen.

Darüber wird oder wurde ganz sicher auch gesprochen, unterwegs vielleicht. Am Dienstag waren die Brasilianerinnen in Wittenberg.

Dieser brasilianische Gemeindeabend, dieser Dienstagabend mit der Montagsmahlzeit blieb vor allem ein herzlicher, ein fidel-geselliger Abend. So lernt man sich kennen, ein Stück weit jedenfalls.