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Bestellung per Postkarte Bestellung per Postkarte: Firma aus Dessau verschickte Schuhe in die deutschen Kolonien

Von Heidi Thiemann 15.10.2017, 12:00
Per Postkarten wie dieser bestellten Kunden aus den deutschen Kolonien Schuhe bei der Firma Lewinsohn in Dessau.
Per Postkarten wie dieser bestellten Kunden aus den deutschen Kolonien Schuhe bei der Firma Lewinsohn in Dessau. Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Dessau - Die in deutschen Kolonien aufgegebenen Briefe und Postkarten, adressiert an das Schuhwaren-Versandhaus S. & A. Lewinsohn in Dessau, sind über 100 Jahre alt. Doch nicht  das allein ist interessant für Veit Didczuneit, Abteilungsleiter Sammlungen des Museums für Kommunikation Berlin.

Sie sind, erzählt er, Zeugnisse der „frühen Form des weltweiten kolonialen Versandhandels“. Sie sind ein kleiner Schatz, der über viele Dinge Auskunft gibt. Doch er lässt auch Fragen offen.

Acht Briefe und Karten aus den Jahren 1908 bis 1911 belegen den Schuhversand aus Dessau

Gegenwärtig erschließt das Museum seine Sammlungen zu den ehemaligen deutschen Kolonien, setzt sich kritisch mit der Geschichte auseinander.

Wenn möglich, würden die Bestände auch ergänzt. Weshalb Didczuneit begeistert ist über die acht Briefe und Karten aus den Jahren 1908 bis 1911 an den Schuhversand Lewinsohn in Dessau.

Gefunden hat er sie bei einem Dresdener Auktionshaus im Internet. „Die Schuhbestellungen haben Absender in Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und sogar Samoa“, sagt er.

Per Reichspostdampfer wurden die Waren in die Kolinien geliefert

„Die Dessauer Kaufleute Siegfried und Arthur Lewinsohn haben also Kataloge mit der Reichspost in alle deutschen Kolonien gesandt.“ Wochen und Monate später gingen dann in Dessau die Bestellungen ein.

Und mit den Reichspostdampfern wurden auch die Schuhe nach Duala, Lome, Daressalam, Swakopmund und Apia gebracht.

Doch wer waren Siegfried und Arthur Lewinsohn? Wie lange gab es deren Versandhandel? Gibt es noch weitere Zeugnisse? Veit Didczuneits Interesse ist groß. „Objekt- und Provenienzforschung ist unser Alltagsgeschäft.

Wir  interessieren uns auch für den Kosmos hinter den Objekten, ihre Entstehung, Nutzung, Sammlung und Ausstellung.“  

„Melde- oder Gewerbeunterlagen aus der Zeit vor 1945 sind nicht mehr vorhanden“

Doch zu den Lewinsohns gibt es im Dessauer Stadtarchiv nur wenige Informationen. Auch das Museum für Stadtgeschichte konnte mit Objekten nicht weiterhelfen.

Doch Didczuneit hat die Hoffnung, dass doch noch Wissen über die Kaufleute besteht, dass jemand über ihr Geschäft berichten könnte, dass es Fotos gibt, noch irgendwo ein Versandhauskatalog erhalten ist oder Geschäftswerbung, vielleicht auch ein Schuhkarton. Denn das „würde die Aussagekraft und Attraktivität der Objekte noch erhöhen“, sagt er.

Frank Kreißler, Leiter des Stadtarchivs in Dessau, hätte dem Berliner Museum gerne mehr geholfen. „Melde- oder Gewerbeunterlagen aus der Zeit vor 1945 sind nicht mehr vorhanden“, bedauert er. 

Allerdings haben sich „hier wenigstens die Dessauer Adressbücher erhalten“. Die Kaufleute  Lewinsohn, so hat er recherchiert, erschienen dort ab 1904. Sie betrieben zunächst ein Geschäft für Manufaktur und Modewaren in der Franzstraße 3/4, das sie bald in ein Schuhgeschäft und Schuhversandhandel umwandelten.

Dessauer Versandhaus zog mehrere Male innerhalb der Stadt um

In der Franzstraße 3/4 verblieb das Geschäft bis 1907. Ein Jahr später befand es sich kurzzeitig in der Zerbster Straße 22. Ab 1909 verzeichnen die Dessauer Adressbücher das Geschäft in der Askanischen Straße 109.

„Dort ist es, mit Siegfried Lewinsohn als Inhaber, zuletzt 1919 nachweisbar“, so Kreißler. Dann verliert sich die Spur.

Ähnliche Korrespondenzen wie die Briefe und Postkarten an das Dessauer Versandhaus sind übrigens nicht im Besitz des Berliner Museums. Daher freue man sich über die  Neuerwerbungen besonders, sagt Didczuneit.

Historische Quellen sprudeln

Denn nicht nur die koloniale Form des Versandhandels mit der Post kann so dargestellt werden. Die historischen Quellen sprudeln zudem zu vielen Themen, sagt er: Technische, wie Laufwege, Transportmittel und Beförderungszeiten, aber auch viele Inhalte stehen mit ihnen im Zusammenhang.

„Es geht um große Prozesse, aber auch um kleine, um Bedürfnisse und privaten Konsum.“

Hinweise zum Schuhwaren-Versandhandel Lewinsohn an Veit Didczuneit, Tel. 030/71302 710 oder per E-Mail [email protected]

Das Museum für Kommunikation Berlin wurde 1872 als erstes Postmuseum der Welt gegründet. Sein prunkvoller repräsentativer Museumsbau entstand zwischen 1893 und 1898 in der Leipziger Straße/Ecke Mauerstraße.

Seit 1977 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. In den 90er Jahren wurde es restauriert und bekam ein neues Nutzungskonzept. 2000 wurde der für 60 Millionen Mark fertiggestellte Bau eröffnet.

Mit seiner Dauerausstellung macht das Museum die Herkunft, die Entwicklung und die Zukunftsperspektiven der Informationsgesellschaft erleb- und begreifbar. Wechselausstellungen richten den Blick auf die unterschiedlichen Aspekte von Kommunikation.

Zu den wertvollsten Schätzen gehören die berühmtesten Briefmarken der Welt - die Blaue und die Rote Mauritius.