Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater Dessau: "Hänsel und Gretel" zum Anbeißen

Dessau - Knusper, knusper Knäuschen... Zum Knuspern gibt’s beim Hexenhaus von Markus Pysall aber wenig. Für die Oper „Hänsel und Gretel“ stellt er eines in rosa mit buntem Lakritz-Konfekt und Gummibärchen auf die Bühne. „Ich mag tatsächlich gerne Gummibärchen“, gibt er zu.
Zudem hat der Bühnenbildner keine allzu guten Erinnerungen an Lebkuchenhäuser. „Wenn man sie endlich schlachten darf, dann sind sie trocken und ungenießbar.“ Beim Entwerfen des Bühnenbildes war aber ein anderer Grund ausschlaggebend für seine Wahl: „Gummibärchen sind einfach zeitgemäßer als Lebkuchen.“ Am Samstag, 5. November, um 19 Uhr ist das Knusper- oder eben Gummi-Häuschen zum ersten Mal zu sehen.
„Hänsel und Gretel“ modern umgesetzt
So zeitgemäß wie Gummibärchen ist auch der Rest der Inszenierung. „Wir bleiben allerdings dran an der Geschichte“, sagt Pysall. Die Armut und das Schicksal der Kinder Hänsel und Gretel wird erzählt, so wie es im Libretto steht. Also nicht etwa in einer Hartz-IV-Familie im Plattenbau oder gar in einem Supermarkt, wie es andere Bühnen schon gemacht haben.
Das brauche es auch gar nicht. „Die Oper hat richtig geile Bilder“, schwärmt Pysall von „Hänsel und Gretel“, die er zu den schönsten Opern überhaupt zählt. Als Schüler von Richard Wagner beschreibt Humperdinck vieles sehr plastisch in der Musik.
Die Inszenierung von Generalintendant Johannes Weigand bleibt deshalb im Wald. Den Markus Pysall allerdings nicht zu realistisch und detailreich darstellt. „Sonst wird es schnell zu kitschig.“ Es soll eine Inszenierung vor allem für kleine Zuschauer werden. „Wir streben eine zeitgemäße Kinderbuchästhetik an.“
Warum die Oper auf Klischees verzichtet
Eine Hexe mit Hakennase, Kopftuch und schwarzem Raben kommt deshalb nicht auf die Bühne. Klischees sollen nicht bedient werden. Als Regisseur und Bühnenbildner sich zum ersten Mal für die Konzeption zusammengesetzt haben stand die Frage im Raum: Wie sieht denn eine moderne Hexe aus? „Eine alte Tante, bei der man immer auf den Schoß sitzen muss und die einem mit einem Taschentuch den Mund sauber wischt, das davor am besten noch mit Spucke nass gemacht wurde“ - so stellte sich Weigand, damals noch Intendant in Wuppertal, persönlich eine Hexe vor. „Deshalb sieht unsere auch erstmal so aus“, erklärt Pysall.
Sie verwandle sich innerhalb des Stücks aber noch. „Von einer Queen Mum zu einer alten Vettel“, bringt er es auf den Punkt. Und auch die Engel sehen laut Pysall etwas anders aus. „Wie im Comic. Sie sind alle dick und sehr lieb.“ Ob denn für das Märchen wirklich so ganz auf Kitsch verzichtet wird? „Die Flügel der Engel sind gold“, antwortet Pysall und lacht.
Im Anhaltischen Theater wird gezaubert
Fakt ist: Es wird farbenfroh. „Die Kostüme sind natürlich so bunt wie das Hexenhaus. Das hat sich eigentlich ganz selbstverständlich ergeben“, erklärt Pysall, der ebenfalls den Part des Kostümbildners übernommen hat. Und es wird fantastisch. Wenn Hänsel und Gretel in den Waldrufen „Ist Jemand da?“ und das Echo aus den Tiefen des Waldes zurückhallt, sei das nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen.
Ein alter, aber nach wie vor effektvoller Theatertrick macht’s möglich: Pysall arbeitet mit mehreren bemalten Schleiern, die hintereinander in den Bühnenraum gehängt und wechselnd beleuchtet werden. Der Raum fange regelrecht an zu wabern. „Im Theater kann man eben zaubern.“
Auch musikalisch bietet die Aufführung von „Hänsel und Gretel“ am Anhaltischen Theater übrigens eine Besonderheit: Unter der Leitung von Wolfgang Kluge erklingt der „Dessauer Schluss“. Ihn hat Engelbert Humperdinck höchstpersönlich und eigens anlässlich der Dessauer Erstaufführung im Jahr 1894 komponiert - unter Verwendung des Dessauer Marsches. (mz)
