AEM-Firmenjubiläum AEM-Firmenjubiläum: Strom für das Traumschiff

dessau-rosslau/MZ - Es ist eine Überseefracht, die bei AEM zum Transport bereit steht. Die Fracht ist ein Motor, der in Chile erwartet wird. Der Motor soll in mehreren Tausend Metern Höhe in der Atacamawüste in einem Kupferbergwerk eingesetzt werden. Wieder einmal liefert Dessau in die Welt.
Zumindest sind für die Anhaltische Elektromotorenwerk Dessau GmbH (AEM) Lieferungen wie jüngst nach Chile keine Seltenheit. Rund die Hälfte der Produktion geht direkt in den Export in 19 Länder. „Beim verbleibenden Teil wissen wir nicht immer, wo unsere Produkte eingebaut werden. Denn ein Teil der Bestellungen erfolgen über Zulieferer“, sagt Tino Storch, einer der AEM-Geschäftsführer. Bei Recherchen herausgefunden habe man, dass beispielsweise das Luxuskreuzfahrtschiff MS Deutschland ohne AEM nicht mit Strom versorgt werden würde. Das Traumschiff ohne Strom wäre kein Traumschiff!
Seit 64 Jahren werden am Standort in Dessau Motoren und Geratoren gebaut. Seit 20 Jahren unter der Firmierung von AEM. Das Spektrum umfasst Maschinen von 110 KW bis fünf Megawatt. Die AEM ist Zulieferer für den Schiffbau, für Bergwerke, Wasserkraftwerke. Zunehmend werden die Motoren und Generatoren zur alternativen Energiegewinnung genutzt. Sie sind weltweit auf Spezialschiffen im Einsatz. Sie treiben Krane, Pumpen oder Ventilatoren an. Bagger und Bandanlagen in Tagebauen kommen ohne sie nicht aus. Die Generatoren erzeugen Strom in Wasserkraftanlagen in Österreich, Skandinavien, Italien oder in Asien und Südamerika. Zumeist wird das gebaut, wo Serienhersteller passen müssen. Das ist einerseits aufwendig, aber genau die Marktlücke, die den rund 220 Mitarbeitern um Storch die Zukunft sichert.
Der Grundstein für AEM dafür wurde genau vor 20 Jahren gelegt. 1992 hatte sich der Aufsichtsrat des Mutterunternehmens VEM mit Hauptsitz in Dresden für die Schließung des Werkes in Dessau entschieden. Es kam anders. Vier Mitarbeiter, unter ihnen Reiner Storch, Hans-Hartmut Röglin, Walter Horalek und Rolf Rätzer, gründeten die AEM. Bei den Schulden, die damals gemacht werden mussten, sei ihnen alles andere als wohl gewesen, erinnert sich Geschäftsführer Reiner Storch an das, was vor den akribischen Verhandlungen lag. Am 29. September 1993 unterzeichneten die vier in Hamburg nach 19 Stunden Verhandlung die Eigentumsübertragung, verbunden mit der Verpflichtung, 152 Mitarbeiter zu übernehmen, 130 davon dauerhaft zu beschäftigen und 20 Millionen D-Mark in den Betrieb zu investieren. „Das war sportlich“, sagt Storch rückblickend und auch, dass der Mut und der Fleiß nicht von Beginn an belohnt wurden.
Es galt, neue Märkte zu erschließen. So waren die ersten Jahre von Kurzarbeit geprägt. Auch später bekam das Dessauer Unternehmen Wirtschaftskrisen zu spüren. „Dass wir am Markt bestehen konnten, ist den Mitarbeitern zu verdanken, die trotz alledem immer enorme Motivation an den Tag gelegt hatten“, sagt Firmenmitbegründer Storch.
Die AEM begann ihre Produktion auf rund 15 000 Quadratmetern Fläche in der Daheimstraße. In den ersten zehn Jahren wurden zwölf Millionen Euro in den Betrieb investiert. Um den gewachsenen Ansprüchen gerecht zu werden, entstand 2007 ein neuer Hallenkomplex, in dem mittels Hochgeschwindigkeitslaser die Elektrobleche zugeschnitten werden. In der Halle befinden sich neben der Elektroblechfertigung die elektrische Vorfertigung und der Wareneingang. Für Logistik und Versand wurde eine zusätzliche Halle gebaut.
Insgesamt investierte AEM zwischen 2006 und 2012 weitere 14 Millionen Euro in die Modernisierung. Nun, sagt Storch, stehe eine dritte Investitionsetappe an. Die AEM plant den Bau eines neuen Test- und Prüffeldes. Doch der Platz auf dem Betriebsgelände ist ausgereizt. „Wir suchen momentan mit der Wirtschaftsförderung der Stadt nach einer geeigneten Baufläche, möglichst in Standortnähe.“
20 Jahre AEM, eine erfolgreiche Dessauer Unternehmensgeschichte sind kein Ruhekissen. Seit mehreren Jahren beobachten die Dessauer, dass die Konkurrenz in Asien zunehmend Produkte mit Qualität auf den Markt bringt. „Wir müssen durch Know-how und technische Fortschritte dafür sorgen, dass wir einen Schritt voraus sind“, umschreibt Tino Storch die künftige Herausforderung von AEM und weiß, wie schwer das ist. Weshalb das mittelständische Unternehmen Kraft in die Sicherung von Fachkräften investiert. Die AEM bildet seit 1994 jährlich rund 15 Facharbeiter in acht verschiedenen Berufen aus. Es besteht darüber hinaus Bedarf an Ingenieuren. „Es ist nicht das Problem, Ingenieure für das Produkt, sondern sie für Dessau zu interessieren“, beobachtet Storch. Generell sind Fachkräfte in den Bereichen Elektrotechnik wenig vorhanden, „deshalb müssen wir künftig auch im Ausland suchen“, sagt Tino Storch.
Dass der Blick über Europa bei der Sicherung von Aufträgen hinausgeht, versteht sich von selbst. Im Vorjahr warb die AEM auf einer Fachmesse in Shanghai. Demnächst ist das Unternehmen in Korea präsent, um Zukunft zu sichern. Die liegt in der Kompetenz, Maschinen mit besonderen Anforderungen zu bauen. Eben die, wo Serienhersteller passen müssen.