Sigmund Jähn knippste mit Filmtechnik aus Wolfen Sigmund Jähn knippste mit Filmtechnik aus Wolfen: Mit Orwo im Weltraum

Wolfen - Was wäre die Raumfahrt ohne Bilder? Alexander Gerst, der derzeit berühmteste deutsche Raumfahrer, hat Medienpreise für seine Fotos aus der Internationalen Raumstation bekommen. Ohne die Aufnahmen von der ersten Mondlandung wäre vielleicht nie eine solche Begeisterung für die wagemutigen Astro- und Kosmonauten entstanden, wie es in den 60er und 70er Jahren der Fall war.
Und auch der nun gestorbene Sigmund Jähn hatte einiges mit der Macht der Bilder im All zu tun. Und das in zweifacher Hinsicht. Zum einen war er als Experte für das Bedienen einer Spezialkamera ausgebildet, die damals einmalige Bilder von der Erdoberfläche machen konnte. Zum anderen schoß er während seines Besuches im Weltraum mit zwei Handkameras Bilder aus dem Inneren der Sojus-Kapsel. Und darin rollten sich natürlich Orwo-Filme aus Wolfen Bild für Bild auf.
Einige der einzigartigen Momente im Weltraum konnte Jähn mit den Pentacon- und Praktica-Kameras auf den Orwo-Farbfilmen für die Ewigkeit festhalten. Knapp 200 Fotos vom Leben in der Raumstation und von der Erde waren ihm geblieben. „Eines meiner Lieblingsbilder ist über dem Amazonas in Südamerika entstanden“, sagte er einmal gegenüber der MZ. Aber auch die „Puppenhochzeit“ zwischen dem DDR-Sandmännchen und der sowjetischen Fernsehpuppe Mascha wurde auf Wolfener Zelluloid gebannt. „Eigentlich war die Verlobung nicht im Protokoll vorgesehen, denn der Sandmann sollte den Kindern an den Fernsehbildschirmen nur ein paar Dinge über den Weltraumflug erklären“, so Jähn. Doch als er die Puppe auspackte, habe der Kommandant Wladimir Kowaljonok die Idee gehabt, beide Kinderhelden zu vermählen. „So kam es spontan zu der kosmischen Hochzeit.“
Es war eine kleine Abwechslung für die Besatzung. Denn eigentlich standen wissenschaftlich-technische Experimente, etwa mit der Multispektralkamera MKF zur Erdfernerkundung, im Mittelpunkt der Mission. Jähn war für den bekanntesten Fotoapparat der Deutschen Demokratischen Republik samt Wechseln der Filmkassette vorgesehen. Die Entwicklungskosten von 82 Millionen DDR-Mark waren zugleich der Preis für die Fahrkarte ins All. Die Kamerabilder der Fernerkundung wurden offiziell genutzt, um Bodenschätze zu suchen oder land- und forstwirtschaftliche Flächen zu beurteilen.
Der Tod des Raumfahrtpioniers ist auch im Dessauer Technikmuseum „Hugo Junkers“ mit Bestürzung aufgenommen worden. „Er wird uns fehlen - als Mensch und als Fachmann“, sagt Gerd Fucke. Der Geschäftsführer des Technikmuseums war mehrmals zu Vorträgen von Jähn nach Berlin gereist. „Er hat die Sprache der Zuhörer gesprochen und dabei dennoch komplexe Inhalte vermittelt“, sagt Fucke über den ersten Deutschen im All, der 2012 letztmalig bei einem öffentlichen Auftritt in Dessau zu Gast war.
Der Fliegerkosmonaut erinnerte damals an Johannes Winkler, der von Hugo Junkers an seine Versuchsanstalt in die Stadt geholt wurde, hier als Ingenieur arbeitete und unterschiedliche Triebwerkskonstruktionen sowie Treibstoffe ausprobierte. 1931 gab es erfolgreiche Starts, so dass Winkler im selben Jahr mit der Konstruktion und dem Bau einer viel leistungsstärkeren Flüssigkeitsrakete beginnen konnte. Somit war in Dessau vor knapp 90 Jahren die europäische Geburtsstunde der Flüssigkeitsrakete, also jener Antriebstechnologie, die später auch Sigmund Jähn und Waleri Bykowski den Griff zu den Sternen erlauben sollte. (mz)