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Insolvenz von Orwo DDR-Traditionsmarke: Fotobuch-Hersteller Orwo Net aus Wolfen ist in finanzieller Schieflage

Der Fotodienstleister Orwo Net hat der DDR-Kultfilmmarke ORWO eine Zukunft gegeben. Warum das Unternehmen mit 270 Mitarbeitern in der Krise steckt.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 26.03.2025, 16:25
Der Name Orwo lebt auch im digitalen Zeitalter weiter. Das Logo ist am Firmensitz von Orwo Net in Bitterfeld-Wolfen gut sichtbar.
Der Name Orwo lebt auch im digitalen Zeitalter weiter. Das Logo ist am Firmensitz von Orwo Net in Bitterfeld-Wolfen gut sichtbar. Foto: Ulf Rostalsky

Bitterfeld-Wolfen/MZ. - Wer seine digitalen Bilder in einem Fotobuch verewigen möchte, landet schnell bei Orwo Net. Das Unternehmen betreibt in Bitterfeld-Wolfen eines von deutschlandweit nur noch drei großen Fotolaboren.

Orwo Net: Insolvenzantrag beim Amtsgericht Dessau-Roßlau

Die Produkte werden unter einer eigenen Marke, aber auch im Auftrag zahlreicher Kunden produziert. 270 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, darunter viele Softwareentwickler, Vertriebs- und Marketingspezialisten. Doch nun ist der Bestand der Firma, die aus dem bekannten DDR-Fotofilm-Hersteller ORWO hervorgegangen ist, gefährdet.  

Orwo Net hat beim Amtsgericht Dessau-Roßlau einen Insolvenzantrag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Christian Heintze von der Kanzlei BBL Brockdorff ernannt.

Insolvenz bei Owo: Sinkende Nachfrage bei Fotobüchern

Zu den Gründen der Insolvenz äußert sich der ehemalige Geschäftsführer und Miteigentümer Gerhard Köhler wie folgt: „In den vergangenen Jahren haben wir eine Zurückhaltung der Kunden gespürt.“ Es werde weniger für Fotobücher ausgegeben. Gleichzeitig seien die Kosten für Energie und Löhne deutlich gestiegen.

Nach seinen Worten haben die Gesellschafter bereits seit zwei Jahren Geld in das Unternehmen gesteckt. „Wir hatten stets gute Gespräche mit dem Betriebsrat und Banken“, so Köhler. Es seien bereits einige Sanierungsschritte eingeleitet worden. Am Ende habe das aber nicht ausgereicht.

Standort Wolfen mit langer Foto-Historie

Der Standort hat eine große Foto-Historie: 1909 gründete die Agfa AG die Filmfabrik Wolfen, 1936 wurde dort der erste praktikable Farbfilm der Welt hergestellt. In Wolfen entstand die Filmfabrik für Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb zunächst sowjetisches Eigentum, bevor er ab 1954 unter VEB Film- und Chemiefaserwerk Agfa Wolfen firmierte.

Im Jahr 1964 wurde die Warenbezeichnung Original Wolfen (ORWO) eingeführt und die Filme weltweit verkauft. Das Kombinat beschäftigte zehntausende Mitarbeiter, wurde nach der Wende jedoch zerschlagen und die Produktion eingestellt. Das Unternehmen Pixelnet, das sich auf digitale Fotografie spezialisiert hat, sicherte sich die Rechte. Daraus entstand Orwo Net.

Corona-Pandemie belastet Orwo Net in Wolfen

Bis zur Corona-Pandemie ging es mit dem Unternehmen auch jahrelang bergauf. Orwo Net weitete sein Geschäftsfeld kontinuierlich auf Kalender, Karten, Poster, Wandbilder und diverse Fotogeschenke wie Tassen und Handy-Hüllen aus.
Die Corona-Pandemie traf das Unternehmen jedoch hart.

Die Deutschen konnten keinen Urlaub mehr machen, daher wurden auch weniger Fotobücher bestellt. Der Umsatz lag 2021 bei knapp 40 Millionen Euro. Dabei wurde noch ein leichter Gewinn von 350.000 Euro erwirtschaftet, geht aus dem letzten im Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftsbericht hervor.

Angespannte Wettbewerbssituation: Orwo setzt auf Künstliche Intelligenz

Köhler spricht auch von einer sehr intensiven Wettbewerbssituation. Um bei Suchmaschinen wie Google sichtbar zu sein, muss das Unternehmen laut Köhler bei Eigenprodukten bis zu 35 Prozent des Umsatzes ins Marketing stecken. Branchenprimus ist Cewe aus Oldenburg (Niedersachsen) mit mehr als 4.000 Beschäftigten. Das Unternehmen peilte für das vergangene Jahr einen Gewinn von 80 Millionen Euro an.

Um im Wettbewerb mithalten zu können, investierte Orwo Net in neue Technik. So arbeite die Orwo-App mit Künstlicher Intelligenz, die für Kunden auch Fotobücher selbstständig zusammenstellen könne, sagte Geschäftsführer Björn Schwarzbach im Vorjahr. Zudem investierte das Unternehmen in eine vollautomatische Verpackungsmaschine, so dass das aufwändige von Hand Verpacken teilweise wegfiel.

Trotz Insolvenzantrag: Produktion bei Orwo in Wolfen läuft weiter

Doch es wurden intern wohl auch Fehler gemacht: 2017 zogen ein Teil der Produktion und die Verwaltung in den Q-Park in Bitterfeld-Wolfen. Nur das Fotolabor blieb am Stammsitz. Dadurch wurden laut Insidern Kapazitäten nicht richtig ausgelastet. Zuletzt wurde das gesamte Geschäft wieder am Stammsitz konzentriert.

Wie geht es nun weiter? Der vorläufige Insolvenzverwalter Heintze teilte dieser Zeitung mit: „Derzeit wird der Geschäftsbetrieb normal weitergeführt. Alle Bestellungen werden produziert und ausgeliefert.“ Über das Insolvenzgeld sind die Löhne der Beschäftigten für die kommenden drei Monate gesichert. Heintze kündigt an, dass „zeitnah ein Investorenprozess gestartet wird“.