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Neues Wundermittel Neues Wundermittel: Gesundes Popcorn für Rind und Schwein

Von Christine Färber 24.06.2016, 10:55
Betriebsleiter Hans-Jürgen Stüwe zeigt das neue Produkt, das Popcorn fürs liebe Vieh.
Betriebsleiter Hans-Jürgen Stüwe zeigt das neue Produkt, das Popcorn fürs liebe Vieh. Thomas Ruttke

Bitterfeld - „Popcorn fürs liebe Vieh“, sagt Addcon-Chef Frank Lerch und lässt ein graugelbes Granulat durch die Finger rinnen. Das ist dem Unternehmen, Hersteller unter anderem von Futter-Zusatzstoffen, eine ein Million schwere Investition und fast 20 neue Arbeitsplätze wert gewesen. Seit vergangenem Jahr spuckt die Anlage im Chemiepark diese Körner aus. Und das mit großem Erfolg.

Die Kügelchen bewirken Wunder

Ok, als Popcorn fürs Tiermaul etwas winzig, aber darauf kommt es nicht an. Denn die Kügelchen haben es in sich. Und das im wahrsten Sinne: Sie sind mit speziellen organischen Säuren und deren Salzen versetzt und bewirken so Wunder: Als Zusatz im Tierfutter erweisen sich die Super-Kugeln als beste Alternative zu Antibiotika.

Eine Alternative zu Antibiotika

Antibiotika im Tierfutter - da war doch was? Durchaus. Es ist kein Geheimnis: Ob Rind, Schwein oder Huhn - Antibiotika wirken in den großen Viehbeständen neben der Behandlung von Krankheiten vor allem in der Mast Wunder.

In Europa sind sie jetzt dafür nicht mehr zugelassen. Hin und wieder allerdings steht schon noch mal eine Hintertür offen ... Doch die Rechnung der Landwirte ist letztlich hoch bezahlt: Werden bei der Tierzucht zu viele Antibiotika eingesetzt, entstehen Resistenzen. Medikamente wirken nicht mehr, neue Erreger tauchen auf. Und letztlich landet das Problem beim Menschen - mit Rind, Schwein oder Huhn auf dem Mittagstisch.

Keime im Futter töten

„Das alles schließt unser Produkt aus, ohne die positiven Ergebnisse der Antibiotika zu negieren“, sagt Geschäftsführer Lerch und erklärt, dass die organische Säure Keime schon im Futter tötet. Hinzu komme der Effekt im Tier selbst, indem das Produkt den pH-Gehalt im Magen senkt und so einen Befall mit krank machenden Bakterien wie etwa Salmonellen verhindert. Das Trägermaterial selbst wird wieder ausgeschieden.

Unter extremer Hitze wird in der Addcon-Anlage auf dem früheren Solvay-Gelände ein spezielles Mineral - Vermiculit, das in Südafrika abgebaut wird - aufgebläht wie Popcorn. Nun kann es Flüssigkeiten aufnehmen - bis zum anderthalbfachen seines eigenen Gewichts. Und das Schöne: Es bleibt fest und trocken. Und haltbar.

Addcons Kernkompetenz ist die Konservierung - die schonende Erhaltung von Lebens- und Tiernahrungsmitteln in Landwirtschaft und Industrie. So leitet sich auch der Name ab: ADDitive zur CONservierung. In Bitterfeld werden zudem Produkte zur Enteisung für Flughafenflächen und Flugzeuge hergestellt. Hier ist Addcon nach eigenen Worten Marktführer in Europa. Weitere Produkte sind Bohr- und Komplettierungsflüssigkeiten für die Öl- und Gasindustrie.

Forschung und Entwicklung bis zur Produktionsreife spielen im Unternehmen in Bitterfeld eine wichtige Rolle. Von 60 Mitarbeitern sind dort sechs beschäftigt. Das Land unterstützt Projekte über Forschungsförderung.

„Ohne die neue Anlage hätten wir den Bedarf gar nicht decken können“

Die Produktionsidee für die Superkügelchen, berichtet Lerch, hatte eine Firma aus Österreich, die heute noch Hauptkunde von Addcon ist. „Wir haben die Technologie dafür entwickelt, das Trägermaterial herstellen zu können.“ Und da haben die Leute von Addcon gleich richtig zugeschlagen: Sie haben das weltweit effizienteste Verfahren. Bis dato wurde das reine Granulat aus dem Ruhrgebiet rangefahren - drei, vier Silolastzüge in der Woche.

Jetzt kommt das Mineral. Und da fährt aller zwei Wochen ein Silotransporter vor. Rund 4.000 Tonnen dieser federleichten, mit Säure und Salzen versetzten Kügelchen stellt Addcon daraus im Jahr her und liefert sie weltweit aus. „Ohne die neue Anlage hätten wir den Bedarf gar nicht decken können“, sagt der Bitterfelder Betriebsleiter Hans-Jürgen Stüwe.

Abschied von billigem Fleisch

Natürlich ließe sich das Trägermaterial auch chemisch herstellen, erklärt er. Doch das mache sich nicht bezahlt. Weil es teurer ist als Import und Verarbeitung des Gesteins. Letztlich aber müsse man sich dem widmen. „Die Ressourcen sind begrenzt.“

Dem Produkt, davon sind die Experten von Addcon überzeugt, gehört die Zukunft. Schon, weil der Verbraucher bewusster wird, weil das Thema „Antibiotika im Tierfutter“ in der Öffentlichkeit „unter Beschuss“ steht.

Doch ganz ohne Chemie, sagt Lerch, wird es in der Landwirtschaft angesichts einer Weltbevölkerung von rund sieben Milliarden Menschen heute nicht mehr gehen: „Dann müssten wir uns verabschieden von 47 Cent pro 100 Gramm Schweinefleisch.“

Ein weites Feld. (mz)