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Kritik an Corona-Politik Kritik an Corona-Politik: Friseure in Bitterfeld fordern für sich und andere Betroffene klare Perspektive

Von Christine Färber 08.02.2021, 15:48
Friseure der Figaro Bitterfeld GmbH machen vorm Salon in der Rathenaustraße auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam.
Friseure der Figaro Bitterfeld GmbH machen vorm Salon in der Rathenaustraße auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam. Michael Maul

Bitterfeld - „Du hast die Haare schön ...“ - das dürften derzeit die wenigsten von sich behaupten können. Seit 15. Dezember, dem Beginn des zweiten scharfen Lockdowns, sind neben vielen Geschäften und Einrichtungen auch Friseursalons und Kosmetikstudios geschlossen.

Doch die Beschäftigten wollen sich diese Corona-Zwangspause nicht länger gefallen lassen: In Bitterfeld haben am Freitag zahlreiche Mitarbeiter dieser Branchen, darunter die Mitarbeiter des Friseurunternehmens Figaro, das in Sachsen und Sachsen-Anhalt 13 Filialen betreibt und 75 Mitarbeiter beschäftigt, eine Mahnwache vor der Filiale in der Rathenaustraße abgehalten. Auch in anderen Orten sind Inhaber und Mitarbeiter auf die Straße gegangen.

„Uns steht das Wasser inzwischen über dem Hals“, sagt Silvana Walter, Geschäftsführerin der Figaro GmbH Bitterfeld. „Unsere Einnahmen betragen null. Wir brauchen die Überbrückungsgelder - jetzt, nicht erst im März. Die Löhne müssen wir vorschießen. Bis heute haben wir alles versucht, was geht. Aber irgendwann ist das Geld alle.“

Landesweiten Aktion der Friseur-, Kosmetiker- und Fußpflegeunternehmen

Die Überbrückungshilfen lassen auf sich warten, die Anträge sind bürokratisch. Bis jetzt, sagt Katja Pierzchot, Kauffrau bei Figaro, sei noch nicht mal die Überbrückungshilfe III freigegeben.

Die Bitterfelder schließen sich mit ihrer Mahnwache der landesweiten Aktion der Friseur-, Kosmetiker- und Fußpflegeunternehmen an - und das übrigens auch stellvertretend für andere betroffene Berufsgruppen. Die Aktion steht unter dem Motto „Wenn Ihr weiter nur die Großen rettet, könnte es hier bald so aussehen! Wir brauchen eine Perspektive!“ Die mit Papier verhängten Schaufenster der Salons weisen symbolisch auf die Situation der Betriebe hin und verdeutlichen den Kommunen, welche Folgen letztlich auch auf sie zukommen könnten.

Indes fordert Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) neben Schulen und Kitas rasch auch die Friseure zu öffnen. „Wir müssen schauen, dass viele unverzichtbare Dienstleistungen wieder möglich werden, auch im Sinne der dort Beschäftigten.“

„Den Leuten läuft die Liquidität weg. Man muss doch was tun.“

Jens Heinerk-Poggenpohl, seit 1988 Herrenfriseur aus Leidenschaft, gehört zu ihnen. Zum ersten Mal in seinem Leben, sagt er, hat er Existenzangst. Und nicht nur er. Vor allem auch Gastronomen und Händler. Regina Janesch hat den Ernst der Lage erkannt und gesellt sich zu den Protestierenden. „Ich will endlich wieder zum Friseur und einkaufen“, sagt sie. „Das gehört sich doch, dass man hierher kommt.“

„Wir sitzen alle in einem Boot“, so Kay-Uwe Ziegler, der als Chef des Vereins Bitterfelder Innenstadt, als Händler und als AfD-Stadtrats-Fraktionschef gekommen ist. „Den Leuten läuft die Liquidität weg. Man muss doch was tun. Das könnte sonst der Todesstoß nicht nur für die Betriebe, auch für die Innenstädte werden“, sagt er und fordert, Kammern und Interessenvertreter sollten klagen - auf Schadensersatz. „Wir sind doch nicht selber ins Wasser gesprungen.“ Von einigen Geschäftsinhabern habe er schon Meldungen, dass sie ihre Läden nicht wieder öffnen werden. Währenddessen boome der Internethandel ...

Friseure haben enorme Summen in Hygienekonzepte investiert

Alarm schlägt die Handwerkskammer Halle. Viele Unternehmer brauchten gerade ihre Ersparnisse auf, so Hauptgeschäftsführer Dirk Neumann. „Wir brauchen eine Perspektive, wann die Friseure und Läden wieder öffnen. Ansonsten bleiben viele für immer geschlossen.“ Die Kammer unterstütze die Aktion und habe alle Betriebe mit Ladengeschäft aufgerufen, sich zu beteiligen.

Carmen Pottel, Chefin der Kreishandwerkerschaft, weiß, gerade die Friseure haben enorme Summen in Hygienekonzepte investiert und ihre Abläufe auf die neuen Bedingungen umgestellt. „Genützt hat es augenscheinlich nichts, obwohl nachweislich kein einziger Friseurbetrieb zum Corona-Hotspot mutierte.“ Das kann Heinerk-Poggenpohl nur bestätigen: „Wir haben strenge Maßnahmen. Mehr geht nicht. Wir hoffen, dass wir bald die Salons wieder aufschließen können.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt, meint er. Doch die sei im Keller.

Und auch die IHK warnt: Die aktuelle Konjunkturumfrage im Land zeigt, dass die Umsatzausfälle bereits existenzvernichtend seien, erklärt Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier. Beim Einschätzen von Geschäftslage und Zukunftsaussicht seien die Pessimisten klar in der Überzahl. Die Daten legten nahe, dass Firmen Investitionen auf Eis legen. Hauptrisiko seien nicht mehr der Fachkräftemangel, sondern die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Besonders harsch sei die Kritik des Gastgewerbes. Für 80 Prozent der Betriebe habe die Corona-Politik schwere finanzielle Auswirkungen. (mz)