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Kraftdreikampf Kraftdreikampf: Exakt gewindelt aufs Podest

Von Thomas Tominski 30.05.2002, 16:10

Wittenberg/MZ. - Marco Grosser vom SV Einheit Wittenberg hat diese Modenschau-Tortur bei den Europameisterschaften im thüringischen Schmölln mit Bravour bestanden und sich im Juniorenbereich (U 23, bis 100 Kilogramm Körpergewicht) die Silbermedaille im Dreikampf (747,5 kg) ergattert. Zusätzlich stellte er im Kniebeugen und Kreuzheben (je 270 kg) zwei neue deutsche Rekorde auf. Die 207,5 Kilogramm im Bankdrücken komplettieren sein Endergebnis.

Insgesamt waren in der Ost-Thüringen-Halle zwölf Nationen am Start, in Grossers Gewichtsklasse standen sechs Athleten an den Hanteln. Sein psychologisches Geheimrezept: "Vor einer Meisterschaft suche ich mir im Internet nie die Bestleistungen meiner Gegner heraus. Das würde mich nur noch zappeliger machen."

Der 23-Jährige vertraut eher seiner Menschenkenntnis. Im Aufwärmraum beobachtet er konzentriert alle Kontrahenten, danach steht für ihn die Reihenfolge bei der Medaillenvergabe fest. Etwas hat er trotz 15 Jahren Wettkampf-Praxis nie in der Griff bekommen: das Lampenfieber. Die Nacht davor wird zum Albtraum, Grosser baut sich sitzend im Bett mental auf. Fragen bohren sich durch seinen Kopf, die Angst, etwas falsch zu machen, bestimmt seinen Herzschlag bis zum ersten Hantelkontakt. 240 Kilogramm im Kniebeugen meisterte er ohne Probleme, dann setzte er zum Sturm auf das Treppchen an.

Zur Information: Bevor der Athlet auf die Bühne geht, ist das Fingerspitzen- und Zeitgefühl des Betreuers ein wichtiger Erfolgsfaktor. Er "presst" den Sportler in den hautengen Anzug (Spannung des Körpers soll verbessert werden) und bandagiert - intern Wickeln genannt - die Knie. Wählt der Betreuer einen falschen Zeitpunkt, staut sich das Blut in den Beinen, der Kraftdreikämpfer würde die Eisenstange nie erreichen. In Schmölln klappte das Zusammenspiel perfekt, Grosser verbesserte seine persönliche Bestleistung um 22,5 Kilogramm. Der Lohn für Kampfgeist und Willensstärke: Nationaltrainer Frank Schütze nominierte den 23-Jährigen für die Weltmeisterschaften, die im November in Finnland stattfinden.

Mit seinem Überangebot an Muskeln hat der Einheit-Sportler keine Probleme. Er gibt offen zu, sich bewusst für dieses Aussehen entschieden zu haben. "Ich wollte nie so ein dünner Typ sein. So gefalle ich mir eben besser." Zu DDR-Zeiten stemmte er in Boßdorf zusammen mit Vater Klaus Eisen in die Höhe und holte sich den ersten Bezirksmeister-Titel (AK 10/11). Nach der Wende kletterte er bei Deutschen Jugend-Meisterschaften sogar zweimal auf das Siegertreppchen. Vor dem Wettkampf isst er immer eine große Portion Bratkartoffeln. Wie seine Leibspeise auf finnisch heißt, wer er noch nicht.