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Drei Künstler auf Tour von Berlin bis Bitterfeld

Von KLAUS SEEHAFER 11.09.2009, 16:28

BITTERFELD/MZ. - Die in Kunstkreisen unvergessene Schöneberger Produzentengalerie "Garage" - sie hat von 1981 bis 1985 existiert - wurde in Anwesenheit von drei der heute noch lebenden Gründungsmitglieder vorgestellt, was dem Abend eine hohe Authentizität gab. Eine weitere Besonderheit: Diese Künstler wurden nicht nur mit Werken bis 1985, sondern bis zur Gegenwart vorgestellt. Umrahmt von einem kurzen Saxophon-Intro und -abschluss von Frank Nowitzky, eröffnete Ralph Becker die Ausstellung und stellte den Berliner Kunstwissenschaftler Michael Nungesser vor, der eine angenehm unprofessorale Einführung gab.

Als seinerzeit eine Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein Bilanz zog, ergab sich eine stattliche Liste von Gästen, weil die Mitglieder der "Garage" nicht nur für sich gearbeitet hatten, sondern immer auch Kollegen von außen die Möglichkeit einer Ausstellung geboten hatten. "Die Garage", so erinnert Michael Nungesser, "war eine Selbsthilfegalerie von Künstlern und Vehikel zur Gruppenbildung. Das ist in der Geschichte der modernen Kunst nichts Neues. Für Berlin-West war es in der letzten Dekadenetappe vor dem ungeahnten Mauerfall fast eine Alltäglichkeit und trug wesentlich zu einem lebendigen kulturellen Leben bei." Gründungsmitglied Petra Seelenmeyer: "Die Garage war ein langer Schlauch von 200 Quadratmetern Fläche, geheizt haben wir mit einem kleinen Ofen, es war ziemlich kalt, dafür betrug die Miete nur 220 Mark, die wir uns teilten."

Produzentengalerien waren in den 80ern in Berlin und anderswo sehr beliebt. Nungesser sieht in der Garage "eine der bedeutendsten und nachhaltigsten dieser Selbsthilfegalerien. Lockere ästhetische Bande führten die Generationsgenossen zusammen, die damals um die dreißig Jahre alt waren, durchwegs Meisterschüler der Berliner Hochschule der Künste, meist von Professor Karl Heinz Hödicke, der zugleich auch als einer der Väter der Neuen Wilden gilt."

Dirk Sommer und Michael Meyer, die früh Verstorbenen, sind in Bitterfeld mit Werken bis Ende der Neunziger vertreten. Der 1948 in Mecklenburg-Vorpommern geborene Sommer war wohl der Vielseitigste der Gruppe, ein Alleskönner, bei dem sich Pop-Art und Expressionismus mischten, Comics, Graffiti und Collagen. Manchmal ließ er sogar sein Töchterchen Peggy mitarbeiten, ganz so wie einige Künstler aus Worspwede einst ihre Kinder hatten mitmalen lassen.

Dirk Sommer war der große Kommunikator der Gruppe, wurde auch "der Künstlerfreund" genannt. Michael Meyer, verstorben noch vor seinem 50. Geburtstag, war ein Eigenbrötler, der ganz in seiner Kunst aufging. Er wurde vor allem durch seine skurrilen Holzplastiken bekannt, "rauhe Phantasiegestalten eines Großstadtindianers mit Bluesfeeling", wie Nungesser sie charakterisiert. Er schuf aber auch Tuschzeichnungen, Kaltnadelradierungen und Ölgemälde auf Bettbezügen. "In der Ruhe liegt die Kraft", sei sein Lebensmotto gewesen, erinnerte sich die anwesende Schwester. Auch habe er "immer eine gute Tasse Tee" geliebt.

Der 1947 in der Schweiz geborene, nach dem Mauerfall in ein Dörfchen in der Mark Brandenburg gezogene W. Jo Brunner ist in der Galerie mit großformatigen Bildern voller Sturm und Wildheit zu sehen. Aber auch wenn die Titel auf Orte verweisen, sind es die von der Landschaft empfangenen Eindrücke, die er darstellt, sind sie kein Spiegelbild. "Da ist nichts linear oder identisch." Brunner ist übrigens der Filmemacher unter den Garagenkünstlern. Er liebt in den Bergen gedrehte Szenen mit jagenden Nebeln und dichtem Gewölk. "Ich kann nur in der Gegenwart leben und immer das Beste daraus machen", ist das Lebensmotto von Jürgen Frisch, dem malerisch Expressivsten der Gruppe.

"Heftig geht es zu in Frischs Gemälden. Skripturales und Fließendes, Filigranes und Schwebendes steht neben festen Konturen und mächtigen Flächen, ungeheure Spannungen bauen sich auf und wollen ausgehalten werden", meint Michael Nungesser.

Und schließlich Petra Seelenmeyer, deren Bilder von großer Unterschiedlichkeit sind und in Motiven und Gefühlsaussagen, Formansätzen und Formaten immer neu anzusetzen scheinen: "Birkentempel" - ein grobkonturiertes, starkfarbiges Bild. Drei Variationen "Le Roses de Route" - eine zartfarbene Reihung dreier mit Grafit auf Leinwand gezeichneter Variationen. Bäume, Blumen und Flüsse gibt es zu sehen; herausragend ein Bild, dessen vegetative Formen durch strenge waagrechte Linien gebändigt werden. "Immer weitermachen" ist Seelenmeyers Lebens- und Arbeitsmotto, einst wie heute. Mit den Worten "Tor auf und los zur Kunsttour von Berlin bis Bitterfeld!", eröffnete Nungesser die neue Schau am Wall und überließ sie der Betrachtung der Gäste.