Detektive im Kreismuseum Detektive im Kreismuseum: Expertin sucht in Bitterfeld nach Raubgütern

Bitterfeld - Detektive im Kreismuseum? Kann man so sagen. Denn Museumsleiter Uwe Holz und Sabine Breer vom Museumsverband Sachsen-Anhalt sind Exponaten auf der Spur, die hier eigentlich nicht sein dürften. Raubgut sozusagen.
Sie suchen nach Gegenständen, die Verfolgten des Naziregimes oder anderen Völkern unter Zwang und unrechtmäßig weggenommen wurden. Sie sind der Herkunftsgeschichte der verdächtigen Objekte und ihrem Weg in das Museum auf der Spur.
Sabine Breer macht dieser Tage den Erst-Check. Sie sucht nach Anhaltspunkten, ob es im Kreismuseum solche Gegenstände geben könnte. Eine mühevolle Aufgabe. Für Breer wie für Uwe Holz. Doch Holz will das so. „Wir wollen ganz sicher sein, was uns gehört“, sagt er. „Moralische Fragen werden immer wichtiger. Wir müssen hohen Standards genügen, wenn wir als Museum glaubwürdig bleiben wollen.“
Bitterfeld hatte viele wirtschaftliche Beziehungen und damit Leute in aller Welt
Auf dem Tisch vor ihm stehen zwei kleinere Figuren - eine nachweislich aus Südamerika, die andere mit unbekannter Herkunft. Afrika vielleicht? Man weiß nicht, wie sie ins Museum kam. War es ein Geschenk? Diebesgut? „Wir werden es erforschen“, so Holz.
Von der anderen Figur indes weiß man all das, was hier noch im Dunkeln liegt: Sie ist ein Geschenk, ein Mitbringsel für die Kuriositätensammlung, was dem Verständnis der damaligen Gesellschaft entsprach. Schließlich hatte Bitterfeld viele wirtschaftliche Beziehungen und damit Leute in aller Welt. Doch: Wozu wurde die Figur genutzt? Steht sie in einem kolonialen Kontext? Und: Ist sie den Besitzern weggenommen worden? Wichtig ist, die „Biographie“ der Objekte offenzulegen.
Das Kreismuseum Bitterfeld ist aufgeräumt, lobt Breer. In über 100 Inventarbüchern ist seit Eröffnung der Einrichtung vor 126 Jahren alles aufgenommen worden, was sich in der Ausstellung und im Depot befindet. Das habe ihr die Arbeit erleichtert.
Knapp 20 Museen im Land haben sich zur bundesweiten Aktion bekannt
Geht es um ethnologische Fragen und entsprechende Stücke wie sie beispielsweise das Humboldt-Forum Berlin hat, werden Wege gesucht, mit den Herkunftsländern zusammenzuarbeiten. Es gehe nicht primär um Rückgabe, sondern um Aufklärung. Vor allem aber geht es beim Projekt Provenienzforschung um NS-Raubgut. Leiterin Sabine Breer und Kollegen sind in vielen Einrichtungen unterwegs.
Knapp 20 Museen im Land haben sich zur bundesweiten Aktion bekannt. „Die kleineren Häuser stehen vor den selben Aufgaben wie die großen.“ Für kleinere Sammlungen wurde eigens eine Methode entwickelt, um solche Exponate zu erkennen, schnell und sicher zu Ergebnissen zu kommen. Zum Beispiel geben jüdische Namen Hinweise.
„Bei den großen Häusern hat fast jedes derartige Stücke im Bestand. Die kleineren wissen es oft nicht und können das nicht aus eigener Kraft leisten.“ Das Land fördert das Projekt mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, der sachsen-anhaltische Museumsverband setzt es um.
Ziel ist es, den Besitz zu klären und das Stück an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben
Im Bitterfelder Kreismuseum glaubt Breer nicht wirklich Sensationelles zu finden. Es gebe ganz wenige Objekte mit Verdachtsmomenten. „Nichts klares.“ Museumsmitarbeiter Steven Pick meint, es gebe ihm ein besseres Gefühl, wenn er Klarheit hat. „Wir haben nichts zu verbergen.“
Und was, wenn Sabine Breer doch fündig wird? Das Ziel ist, den Besitz zu klären und das Stück an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben. Oder eine Regelung zu treffen, dass es im Museum bleiben kann. So einen Fall, berichtet Holz, hat es vor nicht allzu langer Zeit gegeben. Es ging um einen großen Buchbestand von regionalhistorischem Wert. Der rechtmäßige Besitzer habe seinen Restitutionsanspruch geltend gemacht. Letztlich sei es zum Ankauf gekommen. (mz)


