Endlich einsatzbereit? Bürgerkoffer für Bitterfeld-Wolfen: Testlauf für das mobile Bürgerbüro

Wolfen - Für erstaunte Gesichter hat Werner Rauball in der städtischen Meldestelle im Wolfener Rathaus gesorgt. Dort tauchte der Linken-Stadtrat vor ein paar Tagen auf, wedelte mit seinem abgelaufenen alten Pass und bat um die Ausstellung eines neuen Reisedokuments.
Eigentlich ist das Alltag für die dortigen Mitarbeiter. Doch Rauball wollte zur Beantragung seines Passes den Bürgerkoffer nutzen. Mit diesem mobilen Angebot will die Stadt ihren Bürgern zusätzlichen Service bieten und ihnen lange Wege aus den Ortsteilen bis ins Wolfener Rathaus ersparen. Soweit die Theorie. In der Praxis musste Rauball jedoch erfahren: Noch immer ist der Bürgerkoffer nicht einsetzbar.
Die Lieferung des Bürgerkoffers hatte sich verzögert
Dabei wurde bereits im vergangenen Oktober eher zufällig bekannt, dass die Stadt dieses mobile Angebot ins Visier genommen hat. Zwei Monate lang, so kündigte damals Kämmerer Rolf Hülßner an, werde man den Bürgerkoffer testen und danach über dessen mögliche Anschaffung entscheiden.
Rund 6.000 Euro soll das kosten. Doch die Bundesdruckerei, die den Koffer bereitstellt, machte der Stadt einen Strich durch die Rechnung. „Die Lieferung hat sich leider verzögert“, erklärte Hülßner Mitte Februar im Stadtrat. Deshalb habe der Test noch nicht stattgefunden. Insofern dürfte Rauball von der negativen Auskunft der Meldestellen-Mitarbeiter auch nicht überrascht gewesen sein. Denn wenn der Koffer erst in der zweiten Februarhälfte in Bitterfeld-Wolfen eintraf, zieht sich die zweimonatige Testphase schon rein rechnerisch bis weit in den April hinein.
Werner Rauball kritisiert die bisherige Praxis, um einen Ausweis zu beantragen
„Mir geht es darum, dass die Sache endlich in Schwung kommt“, erklärt Rauball sein Vorpreschen mit dem Pass. Der Bürgerkoffer könnte ja beispielsweise als Ersatz für die in Bitterfeld geschlossene Meldestelle dienen. „Denn die Situation ist nach wie vor unbefriedigend - auch für Einwohner anderer Ortsteile“, so der Stadtrat.
Wer seine Adresse ändern, einen Ausweis beantragen oder den Wohnsitz anmelden will, muss derzeit zur Meldestelle nach Wolfen. Das sorgt für Kritik. Für Rauball kein Wunder. „Versuchen Sie mal, mit dem öffentlichen Personennahverkehr von Bitterfeld nach Wolfen zu kommen. Das kostet viel Zeit. Aber warum sollen Leute, die kein Auto haben, einen halben Tag opfern für eine Angelegenheit, die vor Ort in einer halben Stunde erledigt ist?“
Testphase soll zeigen, ob der Koffer in Bitterfeld-Wolfen dauerhauft eingesetzt wird
Genau hier setzt der mit moderner Technik vollgepackte Bürgerkoffer an. Mit ihm kommt das Rathaus quasi nach Hause zu den Bürgern. Erledigt werden können viele Angelegenheiten: Personalausweise und Reisepässe beantragen, vorläufige Dokumente und Kinderreisepässe drucken, Aufenthaltsbescheinigungen, Ummeldungen, Meldebescheinigungen, Führungszeugnisse oder Beglaubigungen erstellen - all das geht mit dem Koffer. Allerdings nur, wenn man eine schnelle Internetverbindung hat.
Ob diese und andere Voraussetzungen in Bitterfelda-Wolfen gegeben sind, soll die Testphase zeigen. Genau dies bereitet die Stadt gegenwärtig vor. „Momentan wird die Software, die zum Gebrauch des Koffers nötig ist, beschafft und installiert“, erkläutert Stadtsprecherin Katrin Kuhnt.
Dazu gehörten beispielsweise das Meldestellenprogramm und diverse Sicherheitssoftware. „Auch die Internetverbindung zwischen Server und mobilem Koffer muss hergestellt und getestet werden“, so Kuhnt weiter. „Ende dieser Woche werden dann erste Praxistests des Bürgerkoffers in den verschiedenen Ortsteilen durchgeführt.“ Erst danach könne entschieden werden, wie es mit dem Bürgerkoffer weitergeht.
Denn selbst wenn alle Tests positiv verlaufen und sich die Verwaltung für die Anschaffung entscheidet, steht die Frage: Wie und wo kann dieser mobile Bürgerservice künftig genutzt werden? Beispielsweise könnte er reihum in die Ortsteile zu festen Terminen reisen. Oder die Bürger rufen im Rathaus an und bestellen eine Mitarbeiterin des Bürgerservices mit dem Koffer direkt nach Hause.
Bürgerservice soll auch an anderer Stelle verbessert werden
Bei der Entscheidung muss man aber auch mögliche künftige Angebote in Bitterfeld im Blick haben. Immerhin hatte Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) in seiner Antrittsrede vor dem Stadtrat angekündigt: „ Ich werde kurzfristig prüfen, unter welchen Bedingungen und wie schnell Dienstleistungen des Einwohnermeldeamtes am Standort Bitterfeld angeboten werden können.“ Dies klang für viele nach einer möglichen Rückkehr der früheren Meldestelle.
Zudem gibt es Pläne, im Bitterfelder Rathausneubau einen neuen Foyerbereich mit Bürgeransprechstellen zu schaffen. Denn das italienische Restaurant dort, muss ausziehen.
Ortsbürgermeister Joachim Gülland (Linke) teilte mit, dass der Mietvertrag mit dem Lokal „Bella Italia“ bereits gekündigt ist. Und die Stadtsprecherin bestätigt: „Das Mietverhältnis endet am 31. August 2018.“
Werner Rauball kann den ersten Test des Bürgerkoffers kaum erwarten
Werner Rauball ist die konkrete Einsatzvariante des Bürgerkoffers vorerst egal. „Hauptsache ist, dass der Service stimmt und funktioniert.“ Wenn Bitterfeld wieder eine Meldestelle bekäme, wäre das für die Einwohner des Ortsteils sehr gut. „Allerdings würde das beispielsweise den Holzweißigern wenig helfen.“ Deshalb sollte man auf den Bürgerkoffer möglichst nicht verzichten.
Für das Ausprobieren des mobilen Angebots stelle er sich gerne zur Verfügung. „Mein Pass ist am 27. März des vergangenen Jahres abgelaufen. Natürlich haben mir die Mitarbeiter in Wolfen sofort angeboten, ganz normal einen neuen Pass zu beantragen. Aber wir könnten ja versuchen, dafür gleich mal den Bürgerkoffer zu nutzen - also einen Test unter realen Bedingungen durchführen.“ (mz)
