Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: Verfallende Häuser sorgen für Ärger
BITTERFELD-WOLFEN/MZ. - Wer mit dem Auto regelmäßig dort entlang fährt, dem fällt beim Abbiegen sofort die Absperrung in den Blick. Ein Zeichen dafür, dass von diesem Gebäude Gefahr ausgeht.
Ist die Stadtverwaltung nicht in der Lage, gegen diese Schandflecke etwas zu tun? Solche und ähnliche Fragen stellen die Bitterfeld-Wolfener immer wieder - zu solchen und ähnlichen Gebäuden, von denen es nicht wenige gibt und die zum Teil nur noch Ruinen sind.
"So pauschal ist darauf keine Antwort zu geben", sagt Mario Schulze, Fachbereichsleiter Immobilien bei der Stadtverwaltung. "Und uns stört dieser Zustand genauso wie die Bürger unserer Stadt." Auch die Politiker seien äußerst sensibilisiert für dieses Thema. In den entsprechenden Ausschüssen stünden deshalb regelmäßig leer stehende und ruinöse Räumlichkeiten auf der Tagesordnung. Doch wenn sich diese Objekte in der Hand von privaten Eigentümern befinden, sei die Gesetzeslage sehr kompliziert und schränke die Handlungsmöglichkeiten der Behörden enorm ein.
"Die Kommune kann keinen Hausbesitzer zur Verschönerung seines Objektes zwingen", versucht es Schulze auf den Punkt zu bringen. Wenn Gefahren davon ausgehen, besteht die Pflicht zur Gefahrenabwehr. "Hier gibt es aber laut Gesetz unterschiedliche Zuständigkeiten für die Sicherungsmaßnahmen", sagt die stellvertretende Fachbereichsleiterin Ordnungswesen, Carola Reinsch. "Da erfolgt jedoch eine gute Abstimmung mit dem Landkreis, was Absperrungen oder das Verschließen von Eingängen und Fensteröffnungen betrifft." Das jedoch erhöhe nur die Sicherheit, ändere an dem Grundproblem aber nichts.
Natürlich habe eine Verwaltung das Recht, ein Gebot nach dem Baugesetzbuch auszusprechen. "Doch die reale Umsetzung, auch in finanzieller Hinsicht, ist dabei oft sehr schwierig", so Schulze. "Immerhin ist das Ganze ein Verfahren, das sich auch immer nur gegen den jeweiligen Eigentümer richtet. Wechselt der, muss der langwierige Prozess von vorn beginnen."
Deshalb werde stets versucht, gemeinsam mit dem jeweiligen Eigentümer eine Lösung zu finden, die sowohl dessen Interessen als auch denen der Stadt und seiner Infrastruktur entsprechen.
Bei manchen Objekten sei das in den vergangenen Jahren bereits gelungen: bei der alten Turnhalle in der Straße der Chemiearbeiter in Wolfen-Nord zum Beispiel, wo jetzt ein Postverteilungszentrum beherbergt ist. Oder bei der ehemaligen Kaufhalle gleich in der Nähe, in der ein Möbelhaus neue Heimstatt fand.
Am Markt bald wieder Geschäft
Die Verkaufsräume des ehemaligen "Blokker" am Bitterfelder Markt hätten jetzt ebenfalls einen neuen Eigentümer, der demnächst dort wieder ein Geschäft eröffnen wolle. Auch in die ehemalige HO-Verwaltung in der Raguhner Straße, die in noch früheren Zeiten das Arbeitsamt war, soll mit altengerechten Wohnungen bald wieder Leben einziehen.
Das ehemalige Kaufhaus "Hotex" zählt ebenso zu diesen Beispielen. Nach jahrelangen vergeblichen Verhandlungen mit einer Eigentümergemeinschaft ist das geschichtsträchtige Gebäude im vergangenen Jahr zwangsversteigert worden. Die Stadtbibliothek soll hier ein neues Domizil finden, auch Wohnungen sind geplant. Dass sich jetzt über ein Jahr dort nichts getan hat, liege an der noch fehlenden Bewilligung der entsprechenden Fördermittel. Doch die Vorbereitungen vom neuen Inhaber, Stadt und Landesentwicklungsgesellschaft Saleg seien erledigt, in einigen Wochen würde es konkret werden.
Bei vielen anderen Objekten indes, das geben die Verantwortlichen der Stadt zu, hätten sich so manche Hürden bisher als unüberwindbar erwiesen. Anfangs genannte chemische Reinigung habe zwar seit einer Zwangsversteigerung ebenfalls einen neuen Eigentümer, doch kämen hier noch bestehende Altlasten wie kontaminierter Boden hinzu. "Zudem ist dieses Gebäude bauordnungs- und baurechtlich wahrscheinlich gar nicht mehr so zu nutzen, wie es jetzt da steht", sagt der Fachbereichsleiter Bauwesen, Peter Arning. Und ein Abriss würde die entsprechende Sicherung des Nachbargebäudes nach sich ziehen. "Damit entstehen Kosten, mit denen der Besitzer ganz sicher nicht gerechnet hat." Somit wird wohl das Schicksal dieses Hauses noch einige Zeit in den Sternen stehen.
Regelmäßig in Kontakt
Ähnlich verhält es sich mit der Bauruine an der Ecke Leipziger / Thalheimer Straße in Wolfen, ein ehemaliges Geschäftshaus. Nachdem einer der bisherigen Besitzer das Objekt entkernt, Fassade und Dach sowie einige Fenster erneuert hatte, kam es dort zum Brand. Wieder herrschte Stillstand. "Seit einigen Jahren gibt es dort einen neuen Eigentümer, mit dem wir auch regelmäßig in Kontakt sind", sagt Immobilienverantwortlicher Mario Schulze. "Bisher sind wir aber noch auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen." Noch in diesem Jahr sollen deshalb die Vorbereitungen und Verhandlungen für ein Bau- und Modernisierungsgebot aufgenommen werden.
Ebenfalls eine fast unendliche Geschichte dürfte die ehemalige Konsumverkaufsstelle "Körbchen" in der Leipziger Straße von Wolfen sein. Hier sei in den letzten Wochen wenigstens erreicht worden, dass der Eigentümer dort Erdnägel entfernt und somit zumindest diese Gefahrenquelle beseitigt hat.
Woran Maßnahmen in vielen Fällen ebenfalls scheitern würden, seien ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder Besitzer, die nicht aufzufinden sind. Und fast immer spielten fehlende Finanzen eine Rolle. "Genau aus diesem Grund ist es uns als Stadt auch leider nur in Einzelfällen möglich, solche Schandflecke zu kaufen, um sie dann abzureißen und damit zu beseitigen", bedauert Schulze und nennt als Beispiele das Kiz und die ehemaligen Winterstein-Lichtspiele in Bitterfeld oder die Wolfener Schwefelsäure.