Bitterfeld Bitterfeld: Letzter Vorhang für den Wolf
bitterfeld/MZ. - "Der König hat ja seinen eigenen Sohn verschluckt", sagt Simone Hempel und atmet erleichtert auf, weil trotzdem niemand zu Schaden gekommen ist. Das ist ja schließlich immer so. Zumindest in der Märchenwelt, in die am Dienstag die Mädchen und Jungen der Bitterfelder Kindertagesstätte "Nesthäkchen" entführt wurden. "Seit über zehn Jahren ist es nun schon Tradition, dass unsere Kinder zum Nikolaustag von den Eltern mit einem Märchen überrascht werden", lobt die Leiterin der Einrichtung die engagierte Theatergruppe, die am Dienstag die Geschichte vom "Wolf und den sieben Geißlein" lebendig werden ließ.
Und weil es den sechs Laienkünstlern schlichtweg an Darstellern mangelte, wurde die Aufführung zum Mitmachtheater umfunktioniert und kurzerhand vier kleine Geißlein aus dem Publikum auf die Bühne geholt. So kam es eben, dass der sechsjährige Wim auch im Bauch des Wolfes verschwand, dem sein Vater Heiko König als beeindruckender Bösewicht Leben und Persönlichkeit einhauchte. "Weil Wim nächstes Jahr in die Schule kommt, war das gewissermaßen der letzte Vorhang für mich", gesteht König etwas wehmütig. Seit 2003 begeistert der Vater von drei Kindern als Isegrimm, Rumpelstilzchen und - bei dem Familiennamen - natürlich auch als König die großen und kleinen Zuschauer. "Vielleicht gibt es ja zum Sommerfest für uns noch eine letzte Vorstellung", hofft auch Petra Behrendt. Seit 2001 gehört die Mutter von Lea Marietta mit Unterbrechungen zu den Laienschauspielern. "Auch für mich ist mit der Einschulung 2012 hier Schluss", ist die Frau, die als Gei-ßenmutter zu überzeugen wusste, traurig.
"Wir sind schon eine tolle Truppe", findet Diana Fischer. Jedes Jahr im September beginnen die Vorbereitungen. Einmal in der Woche treffen sich die Mimen am Abend, um die Aufführungen vorzubereiten. "Von den Proben über die Kostüme bis hin zum Bühnenbild machen wir alles selbst", erzählt König und lobt auch die Unterstützung von Frau Hempel und ihrem achtköpfigen Erzieherinnenteam. "Das macht riesigen Spaß. Ich wollte schon immer mal so was machen", gesteht Nadine Giereth, die ganz aufgeregt vor Lampenfieber war. Sie ist der jüngste Neuzugang bei den Mimen und wird der Truppe wohl noch einige Jahre erhalten bleibt, weil Söhnchen Pepe gerade mal zwei Jahre alt ist. Der kleine Mann musste erst ganz genau hinschauen, bevor er in dem einen Geißlein seine Mama erkannte. Die war nämlich, ebenso wie die anderen Darsteller, ganz toll von Friseurin Jaqueline Neubauer geschminkt worden. "Ich hab das schon im vorigen Jahr gemacht. Auch das Kinderschminken zum Sommerfest", erzählt die junge Frau, die der Kita die Treue hält, obwohl "ihr Großer" schon in die Schule geht. "Ich erwarte ein kleines Mädchen, dass später auch hier ins Nesthäkchen gehen wird", sagt die werdende Mutter.
"Viele Eltern begleiten uns über Jahre", freut sich Frau Hempel. Die Leiterin der Einrichtung in Trägerschaft des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerkes ist froh und dankbar für das Engagement, das den derzeit 84 Kindern so viel Freude bereitet. "Das haben die wieder ganz toll gemacht", sind sich alle einig und belohnten die Mimen mit viel Applaus. Und während sich die Knirpse von dem Schreck über den bösen Wolf erholten, hatte der Nikolaus, alias Marcel Matthes, die Stiefel der Kinder mit süßen Naschereien bestückt. "Das war auch nicht sein erster Einsatz. Vor zwölf Jahren hat der Vater der dreijährigen Lea - damals noch als Zivildienstleistender - die Rolle des Bärtigen schon einmal übernommen", erinnert sich die Pädagogin. Doch das sei wieder eine ganz andere Geschichte.