Arbeitsrecht Arbeitsrecht: Ein unrühmliches Ende nach 24 Jahren
Wittenberg/MZ. - Doch Kurt Ballmann geht nicht im Frieden. Mit einem ganzen Berg an Papier sitzt er in seinem Haus in der Robert-Koch-Straße und weiß nicht so recht, was er tun soll. Die Kredite auf das Haus, in dem - so seltsam sind die Zeitläufe - die Fleischerei Wagner Anfang des vergangenen Jahrhunderts ihren Ursprung nahm, drücken. Doch Ballmann weiß nicht mehr, wie er die auf Dauer bezahlen soll. Seit über einem Jahr hat der gelernte Fleischermeister nicht mehr regelmäßig Lohn erhalten, stattdessen gibt es Ärger zu Hauf.
"Angefangen hat alles Anfang 2002", erzählt Ballmann. Da begannen die Lohnzahlungen zu stottern. Schon 1999 habe Wagner begonnen, das Gehalt mit Abschlägen auszuzahlen, seit der ersten Insolvenz und der Umfirmierung in eine GbR Anfang 2000 waren einige Sondervergütungen weggefallen. "Das hätte mich nicht gestört", erinnert sich Ballmann. Denn eigentlich sei man bei Wagner immer gut bezahlt worden. Viel mehr geärgert hat ihn, dass Wagner versucht hat, seine Betriebszugehörigkeit abzuknapsen. Plötzlich sollte das Jahr 2000 sein erstes Jahr im Betrieb sein - nach 21 Jahren harter Arbeit mit Wurstkisten stemmen und Fleisch ausbeinen.
Mitte der 90er Jahre, als das Privatunternehmen Wagner in eine GmbH überführt worden war, habe Wagner das schon einmal versucht. Das, erzählt Ballmann, sei der erste große Knacks in ihrer Beziehung gewesen. Wagner nämlich hätte ihn damals an einem Freitag überrumpelt. Nachmittags sei er ins Büro gerufen worden. "Unterschreib das hier mal", habe Wagner gefordert. Ballmann sollte einen neuen Vertrag unterzeichnen. Doch als der ihn erst einmal durchlesen wollte, habe es geheißen: "Brauchste nicht, brauchst mir nicht zu misstrauen." Ballmann tat aber besser daran. Denn mit dem Vertrag wäre seine 21-jährige Betriebszugehörigkeit fast zu Ende gewesen - und der Kündigungsschutz dahin. Den jedoch sollte Ballmann noch bitter nötig haben.
Denn im November 2002 hatte der Wittenberger die Kündigung in der Hand. "Aus betrieblichen Gründen", hieß es. "Ich war aber der einzige, dem gekündigt worden ist", schätzt Ballmann. Vielleicht hatte sich Wagner ja an seinen Widerworten gestört. "Ich war meistens derjenige, der vorgesprochen hat", erinnert sich Ballmann. Zum Beispiel auch wegen des Lohns. Das Maigehalt 2002 hatte er erst am 22. August vollständig erhalten. "Immer wieder habe ich ihn oder Frau Faßbender ansprechen müssen, dann gab es mal 200 Euro", klagt Ballmann. Für den Juli blieb eine Rate völlig offen. "Seitdem habe ich keinen vollen Lohn mehr bekommen", sagt Ballmann. Inzwischen haben sich seine Lohnforderungen auf über 5000 Euro summiert.
Über 3000 Euro davon sind inzwischen mit einem "vollstreckungsfähigen Urteil" unterlegt. Denn im November 2002 hatte Ballmann geklagt - und auf ganzer Linie Recht bekommen. Die erste Kündigung war nach Ansicht des Gerichts unwirksam, die Betriebszugehörigkeit wird seit 1979 gezählt.
Kaufen kann sich Ballmann dafür aber nicht viel. Denn die vor Gericht vereinbarte Ratenzahlung des Lohns setzte im März 2003 wieder vollständig aus. Und weil Ballmann, der seit November 2002 von der Arbeit freigestellt ist, laut Urteil ja noch bis August beschäftigt sein wird, hat das Arbeitsamt nun auch seine Zahlungen eingestellt. Mit den vollstreckbaren Urteilen kann Ballmann auch nichts anfangen. Denn seit 14. April läuft ein Insolvenzverfahren über den Betrieb. Seit April beantwortet Wagner keine Schreiben mehr - und auch für die MZ ist er seit Mittwoch nicht mehr erreichbar. "Ich verstehe nicht, warum ihn das nicht schert", klagt Ballmann.