Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Feilen für die Zukunft
RAGUHN/MZ. - Nicht nur der Industrie geht der Nachwuchs aus. Junge Leute mit Talent und Motivation fehlen immer mehr auch in Instandhaltungsbetrieben. Beispiel System-Instandsetzung und Service GmbH (SIS) mit Sitz im Chemiepark. "Unsere Belegschaft hat einen Altersdurchschnitt von 50 Jahren", bestätigt André Parchwitz, der im Unternehmen als Projektleiter eingesetzt ist.
Alte Mitarbeiter gehen, junge rücken nach. Die über Jahre gängige Praxis wird immer mehr zum Idealbild. SIS möchte allerdings mehr als SOS funken. "Wir wollen Ressourcen aus eigener Kraft entwickeln", erzählt Parchwitz. Mitarbeiter des Unternehmens rühren deshalb regelmäßig die Werbetrommel für den Instandhaltungsspezialisten aus Bitterfeld.
Mit der Sekundarschule in Raguhn wurde eigens ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. Der sichert SIS den Zugang zur Bildungseinrichtung, der Schule wiederum eine neue Facette im Technikunterricht. "Projektingenieure übernehmen einen Teil des Unterrichts, die Techniklehrerin tritt etwas in den Hintergrund", erklärt Schulleiterin Renate Bretschneider. Damit glauben Raguhner und Bitterfelder, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Das Unternehmen kann unter Umständen Talente erkennen und fördern, die Schule ihrem Anspruch auf frühzeitige Berufsorientierung gerecht werden. Dabei muss am Ende des gemeinsamen Weges nicht einmal zwingend eine Ausbildung in technischen Bereichen stehen. Eine genaue Vorstellung vom Berufsbild helfe auch vor Fehlentscheidungen, sind Lehrer wie Techniker gleichermaßen überzeugt.
Sarah Zeisler gehört zu den Schülern der siebenten Klasse, die den etwas anderen Unterricht genießen. Der ist für sie eine Bestätigung. "Den ganzen Tag im Büro sitzen, kommt für mich garantiert nicht in Frage." Das Mädchen hat vielmehr Spaß am Umgang mit Maschinen und Geräten. "Die Schüler sollen lernen, was alles nötig ist, um ein Werkstück herzustellen", betont André Parchwitz. Die fertige Buchstütze sieht einfach aus. Ein Teil besteht aus Holz, das andere aus Metall. Der Blick ins Detail verrät jedoch, dass hier richtig Arbeit notwendig war. Biegen, bohren. "Genau das erleben wir oft. Der zweite Schritt wird vor dem ersten gemacht", weiß der Fachmann aus Erfahrung. Dabei bräuchte es erst einmal eine Zeichnung. Dann die Überlegung, welches Material welches Werkzeug erfordert, schließlich das genaue Übertragen der Maße.
"Ich reiße an", gibt Pascal Hoffmann den Techniker. Die Reißnadel hinterlässt Spuren auf dem Streifen Metall, den der junge Mann nicht zum einfachen Teil der Buchstütze werden lassen möchte. Seine technische Zeichnung hat er mit futuristisch aussehenden Buchstabenfolgen versehen. "Die werden später drauf gelötet." So die Idee des Schülers, der irgendwann seine künstlerische Ader ausleben möchte. "Gestalten", möchte er. Comics zeichnen und vielleicht noch mehr Geschichten schreiben. Aber noch gibt es den Stolperstein Schule. SIS-Mitarbeiter Parchwitz macht keinen Hehl daraus, dass Nachwuchs im Unternehmen qualifiziert sein muss. Das müsse jeder Schüler begreifen. Wie letztlich der Gedanke aus dem Kopf müsse, dass Ausbildung nur bei den Großen, bei Bayer oder Heraeus, funktioniere. "Wir suchen auch Leute."