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Abenteurer aus Bitterfeld-Wolfen Abenteurer aus Bitterfeld-Wolfen: Keine Angst vor zu Hause

Von Birger Zentner 01.02.2015, 17:18
Allein mit seinem Rad unterwegs, aber nie auf der Suche nach Einsamkeit - Thomas Meixner
Allein mit seinem Rad unterwegs, aber nie auf der Suche nach Einsamkeit - Thomas Meixner andreas stedtler Lizenz

Bitterfeld-Wolfen - Kaum einer hat Angst vor dem Losfahren. Viele aber haben Angst vor dem Nach-Hause-Kommen. Ich nicht.“ Thomas Meixner, gerade zurückgekehrt von einer 20 Monate dauernden Fahrradtour von Alaska bis Feuerland über mehr als 41 000 Kilometer, sagt das gelassen. Das klingt nicht nach einem, der sein Radfahren durch alle möglichen Teile der Welt als eine Form des Aussteigens, der Flucht aus der normalen Gesellschaft begreift. Das klingt auch nicht nach einem, der verzweifelt die Einsamkeit sucht. Was ist es dann, was treibt ihn, wie verrückt muss einer sein, sich das anzutun?

„Gar nicht verrückt“, sagt Meixner. „Es ist mein Beruf.“ So einfach ist das also. Doch der 49-Jährige räumt ein, man brauche doch ein gewisses Maß an Aussteigermentalität - aber nur ein wenig. Vielmehr sei es die Bereitschaft, diszipliniert zu leben, sich immer wieder zu motivieren. Das gelte für die Reisen ebenso wie für die Zeit danach, wenn er wie jetzt vorbereitet, was ihm seinen Lebensunterhalt beschert: die Vorträge, mit denen er von seinen Reisen berichtet, mit denen er von September bis April durch die Lande zieht. Immerhin gelingt es ihm, kleine Kinosäle zu füllen. „In einer Saison halte ich etwa 40 bis 50 große Vorträge, so vor 100 Gästen oder auch mehr“, sagt er. Dazu kommen diverse kleinere.

Dann berichtet er von der eben zu Ende gegangenen Tour oder von der Weltumrundung zwischen 1998 und 2001 oder von der Fahrt bis nach Südafrika oder von der Reise bis ins fernöstliche Wladiwostok. Und von den kleinen Touren wie rund um Island, zum Nordkap, durch die Mongolei und anderen.

Keine großen Ansprüche

Aber es ist auch kein Beruf wie jeder andere. Was ist, wenn du den Beruf nicht mehr ausüben kannst? „Wenn ich gesund bleibe, kann ich das noch eine ganze Weile machen“, sagt Meixner. Vielleicht bis er 65 oder auch 70 sei. Andere Radfahrer machen es vor. Heinz Stücke fährt seit 1962 durch die Welt und berichtet darüber. Vor wenigen Tagen ist er 75 Jahre alt geworden und will sich wohl zur Ruhe setzen, wie einem Eintrag bei Wikipedia zu entnehmen ist. Meixner ist übrigens begeistert von ihm und davon, dass er ihn schon verschiedentlich getroffen hat.

Wie auch immer, wenn es nicht mehr geht, dann werde er auch zurechtkommen. Ein bisschen Rente werde es geben, weil er auch was eingezahlt hat während seiner Zeit als Elektriker und Fahrradmechaniker und in die Künstlersozialkasse aufgrund seiner Freiberuflichkeit. Große Ansprüche stelle er nicht.

Irgendwie gilt das auch für andere Bereiche des Lebens. Familie ist so ein Thema. Mit den Eltern versteht sich Thomas Meixner gut. Sie haben akzeptiert, was der Sohn treibt, stärken ihm den Rücken, machen sich Sorgen wie alle Eltern. Eine eigene Familie? Das bedeute ihm nicht so viel. An der Aufrichtigkeit dieser Antwort mag man zweifeln, aber sie klingt ehrlich, wenn man sie aus seinem Mund hört. Mal war er mit einer Freundin auf Radreise nach Stockholm, mal mit einer anderen ein Stück durch die Türkei unterwegs. Die vorerst letzte Beziehung hat die Amerikaradtour nicht überdauert. Am Nikolausabend 2013, ein gutes halbes Jahr nach dem Start, kam das Aus per E-Mail. Es habe ihn einerseits enttäuscht, auch ein wenig verstimmt, andererseits sei es ihm irgendwie klar gewesen.

Wie Thomas Meixner zum Weltenradler wurde, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

In die Wiege gelegt war Thomas Meixner der Weg nicht. Mit den Eltern ist er als Junge campen gefahren. „Ich dachte, das geht so weiter, das sind meine Reisen“, erinnert er sich. Als 17-Jähriger fuhr er - damals noch mit dem Zug - nach und durch Bulgarien. Dort traf er zum ersten Mal einen, der mit dem Rad unterwegs war. „Das ist es, dachte ich damals, das machst du auch.“ Mit der Wende in der DDR kam für ihn die Arbeitslosigkeit im Chemieareal um Bitterfeld und Wolfen. Das habe die Entscheidung erleichtert.

Er unternahm die ersten Fahrradtouren in den 1990er Jahren, unter anderem mit einem Freund 10.000 Kilometer um das westliche Mittelmeer. Die Weltumrundung, die ursprünglich „nur“ eine Fahrt nach Australien zu den Olympischen Spielen 2000 werden sollte, sollte eigentlich der Schlusspunkt sein. „Ich wollte danach in die Reisebranche einsteigen, Abenteuertouren führen“, sagt Meixner. Dutzende Berichte von der Welttour in der Mitteldeutschen Zeitung, die damals noch per Post rund um den Erdball geschickt wurden, fanden viele Leser. „Als ich zurückkam, fragten mich Freunde und Bekannte, warum schreibst du nicht weiter darüber, zeigst Bilder und hältst Vorträge? Das war eine Idee, die mir so noch gar nicht gekommen war.“

Von Alaska nach Feuerland

So kam es dann auch und damit immer wieder zu neuen Aufbrüchen. Die Fahrten werden immer akribischer vorbereitet, haben einen Plan, beziehen die Jahreszeiten ein und überlassen manches doch dem Zufall. Ein Abstecher hier und einer da. 20.000 Kilometer betrug die ursprünglich geplante Strecke von Alaska nach Feuerland, mit 30.000 hat Meixner gerechnet, 41.000 sind es schließlich geworden. Weil er Landschaften und Menschen entdeckte, die zum Verweilen einluden. „Auch wenn ich allein fahre, einsam fühle ich mich nie“, resümiert er. Nicht einmal, als er außer Bären auf dem Abschnitt bis über den nördlichen Polarkreis hinaus nach Inuvik niemanden getroffen hat. „Da reicht es schon, wenn man mal einem Lastwagenfahrer zuwinkt.“ Dafür hat er an vielen Orten wie auf Kuba, in Venezuela oder Chile Menschen getroffen, mit denen er ein paar Tage zusammenlebte.

„Auf zu Hause habe ich mich letztlich gefreut, weil mein Plan aufgegangen ist, weil mir jetzt die Vorbereitung der Vorträge genau so viel Spaß macht wie die Reise selbst.“ Bei der hat er sein Buch darüber textlich schon fast fertiggestellt, Tausende Fotos gemacht und Videomaterial gedreht, das einen komplette Tag füllen würde, spulte man es hintereinander ab. Am 23. Oktober, 19.30 Uhr, soll im Kulturhaus Wolfen übrigens Premiere sein für seinen Amerikareisevortrag.

Mehr zum Weltentourer unter: www.thomasmeixner.de (mz)

Am nördlichen Polarkreis, Yukon, Kanada
Am nördlichen Polarkreis, Yukon, Kanada
Thomas Meixner Lizenz
Auf dem Mt. Illimani (6439 m), Bolivien
Auf dem Mt. Illimani (6439 m), Bolivien
Thomas Meixner Lizenz
Am Äquator in Brasilien
Am Äquator in Brasilien
Thomas Meixner Lizenz