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Größer als der Kölner Dom VNG und Gazprom: Riesiger Erdgasspeicher bei Bernburg nimmt den Betrieb auf

Von Steffen Höhne 23.05.2017, 06:00
Ein Blick auf den Erdgasspeicher Peißen. Über Tage sind nur Leitungen samt Verdichterstationen zu sehen. Die Kavernen befinden sich in 500 Meter Tiefe.
Ein Blick auf den Erdgasspeicher Peißen. Über Tage sind nur Leitungen samt Verdichterstationen zu sehen. Die Kavernen befinden sich in 500 Meter Tiefe. EPG/Jacob Richter

Bernburg - Silber glänzende Edelstahlrohre, die in schmucklose Verdichterstationen führen. Es dröhnt ein wenig. Obertage weist wenig darauf hin, dass im Bernburger Ortsteil Peißen eines der aktuell größten wirtschaftlichen Energieprojekte Deutschlands Gestalt annimmt. Das „Bauwerk“ befindet sich auch gut 500 Meter unter der Erde.

Rund 420 Millionen Euro investieren der Leipziger Gaskonzern Verbundnetz Gas (VNG) und der russische Gasriese Gazprom in die Errichtung von zehn unterirdischen Gasspeichern. Am Dienstag werden VNG-Chef Ulf Heitmann und Gazprom-Vize Alexander Medwedew die Anlage einweihen. Vier der zehn Kavernen sind bereits in Betrieb.

„Sieben bis acht Jahre dauert die Herstellung einer Kaverne“, sagt Volker Busack, Geschäftsführer der Erdgasspeicher Peissen GmbH. Jede Kaverne sei bis zu 100 Meter breit und 200 Meter hoch. Damit hätten das Leipziger Völkerschlachtdenkmal oder der Kölner Dom darin spielend Platz. Bis 2024 sollen alle Kavernen mit einem Fassungsvermögen von insgesamt rund 600 Millionen Kubikmeter angelegt sein. „Damit ließe sich eine Stadt wie Halle zwei Jahre komplett mit Gas versorgen“, verdeutlicht Busack die Dimension. Das Projekt „Katharina“ ist nach der Zarin Katharina der Großen benannt, die aus dem Hause Anhalt stammte.

Deutschland belegt bei der Speicherung von Erdgas Platz vier in der Welt

Die VNG betreibt seit 1975 bei Bernburg Erdgasspeicher. Geologisch zeichnet sich die Region durch eine homogene Salzschicht aus, die hunderte Meter unter der Erde liegt. Bei den Kavernen handelt es sich um künstlich angelegte Hohlräume. Mittels Süßwasser wird das Salz gelöst und gefördert. In den Kavernen wird stark verdichtet Erdgas eingelagert.

Die Technologie ist laut Busack sicher. So befinde sich unter anderem in 20 Metern Tiefe ein sogenanntes Untertagesicherheitsventil, das bei Druckänderungen schließt. Erdgas kann zudem nur explodieren, wenn es mit Sauerstoff zusammenkommt. Aufgrund der Druckverhältnisse kann Luft aber nicht in die Speicheranlage gelangen.

Deutschland belegt bei der Speicherung von Erdgas Platz vier in der Welt hinter den USA, Russland und der Ukraine. Die 43 Untergrundspeicher haben ein Fassungsvermögen von 19 bis 20 Milliarden Kubikmeter. Das entspricht etwa einem Fünftel des Jahresverbrauchs. Zum Vergleich: In Großbritannien, das einen ähnlich hohen Erdgasverbrauch wie Deutschland hat, sind es nur vier Prozent Speicherkapazität. Deutschland bezieht sein Erdgas vor allem über Pipelines aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Klassischerweise wurden im Sommer Speicher zu niedrigen Preisen gefüllt, um sie im Winter zu nutzen, wenn die Leitungskapazität nicht ausreicht und die Preise hoch sind. Doch der Markt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. „Aktuell rechnet sich der Betrieb großer Speicher kaum“, sagte Erdgas-Fachmann Heiko Lohmann vom Fachmagazin Energate zuletzt der MZ.

Gazprom will den Speicher auch als Puffer für die Gasverteilung in Europa nutzen

Europa bezieht größere Mengen von verflüssigtem Erdgas aus dem Nahen Osten, das zusätzlich zum Pipelinegas auf den Markt kommt. Die Gaspreise für Sommer und Winter gleichen sich an, womit der Betrieb der Gasspeicher unwirtschaftlicher wird. Manager Busack betont, dass „die Speicher zur Versorgungssicherheit Deutschlands im Winter und bei möglichen Lieferunterbrechungen benötigt werden“. Derzeit werde das aber nicht bezahlt. Was er damit meint, wurde im Februar deutlich. Die Gaswirtschaft schlug Alarm, da sich die Reserven in Europa binnen acht Wochen auf ein Drittel des Speichervolumens verringert hatten. Diese Werte werden eigentlich erst Ende März erreicht. Engpässe in der Versorgung gab es aber nicht.

Der Vorteil für das Projekt Katharina: Die russische Gazprom, die aktuell eine zweite Gaspipeline durch die Ostsee baut, will den Speicher auch als Puffer für die Gasverteilung in Europa nutzen. Damit steht ein großer Kunde bereits fest. Busack äußert sich optimistisch, dass „wir mit Blick auf den Speicher Katharina einen wirtschaftlichen Betrieb nachweisen können, das ist unter aktuellen Marktgegebenheiten nicht selbstverständlich“.

VNG setzt auch auf Gas aus erneuerbare Energien

Neben Bernburg verfügt die VNG über Speicher in Bad Lauchstädt (Saalekreis), Etzel (Niedersachsen) und Kirchheiligen (Thüringen). Ein Speicher im brandenburgischen Buchholz wurde dagegen 2016 aus „wirtschaftlichen Gründen“ stillgelegt.

Da der Gasabsatz in Deutschland durch die Energiewende langfristig zurückgehen wird, will VNG-Chef Heitmüller in den neuen Kavernen mittel- bis langfristig nicht nur fossiles Gas speichern. Heitmüller setzt auch auf Gas aus erneuerbare Energien. Bereits heute gibt es hierzulande mehrere Pilotanlagen, die Strom von Windrädern in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umwandeln, weil sich dieses einfacher speichern lässt. Bisher ist die Methode relativ teuer. Heitmüller rechnet jedoch damit, dass mit dem steigenden Ökostrom-Anteil Großspeicher für Energie nötig werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Infrastruktur dafür müsse nicht erst teuer errichtet werden, „mit den Gasspeichern und -netzen besitzen wir diese bereits“, sagte er zuletzt.

(mz)