Tod nach Klinik-Behandlung Tod nach Behandlung im Klinikum Aschersleben: Ameos will außergerichtliche Einigung mit Angehörigen von Karin Flügel

Wohlsdorf - Das Ameos-Klinikum Aschersleben-Staßfurt will den Streit mit der Wohlsdorfer Familie Flügel außergerichtlich beenden. Das geht aus einem Schreiben der von Ameos beauftragten Hamburger Anwaltskanzlei hervor. Die Familie fühlt sich allerdings unter Druck gesetzt. „Wenn wir diese Vereinbarung nicht unterzeichnen, bekommen wir die Patientenakte meiner gestorbenen Frau nicht“, sagt Helmut Flügel. „Das empfinden wir als Erpressung“, meint sein Sohn Karsten Flügel.
Nach dem Tod von Karin Flügel am 2. August 2018 hatten Ehemann und Sohn Strafanzeige gegen den Schweizer Gesundheitskonzern gestellt. Sie bezichtigen ihn, dass schwere Pflegemängel ursächlich für den Tod der 60 Jahre alten Frau seien.
Karin Flügel wurde 25 Tage im Ascherslebener Klinikum behandelt
Die übergewichtige Wohlsdorferin war wegen einer Darmverschlingung und eines Bauchwandbruches 25 Tage lang im Ascherslebener Klinikum behandelt worden, ehe die Familie die schwerkranke Karin Flügel gegen den Rat der Ärzte nach Hause holte. Dort starb sie eine Woche später. Ihr Sohn nannte als Grund dafür eine Blutvergiftung durch Krankenhauskeime, begünstigt durch einen Dekubitus schwersten Grades im Bereich des Kreuzbeines.
Das Krankenhaus wollte sich aus Datenschutzgründen und wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Chefärztin Monika Mingramm und Krankenhausdirektor Sebastian Lehotzki sagten am Donnerstag der MZ, die Angehörigen hätten die Patientenakte bislang gar nicht angefordert. Jedoch liegen der MZ zwei Schreiben vom Anwalt der Familie an die Ameos-Kanzlei vor, in denen die Herausgabe der Patientenakte erbeten wird.
Anwalt der Familie fordert Herausgabe der Patientenakte
Sie datieren vom 29. September und 1. Dezember. Laut Paragraf 630g des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) haben Erben einen unverzüglichen und bedingungslosen Anspruch auf Einsichtnahme in die vollständige Patientenakte oder elektronische Abschriften.
Die von Ameos gesetzte Frist zur „einvernehmlichen Erledigung dieser Angelegenheit“, den 21. Dezember, ließen Flügels erneut verstreichen. So wie bereits eine von Ameos bis zum 1. Oktober gesetzte Frist, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. „Wir hatten meiner Mutter am Totenbett versprochen, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Und das werden wir bis zum letzten Atemzug tun“, sagt Karsten Flügel.
Ameos fordert die Löschung von MZ-Berichten
Der im Ameos-Krankenhaus Staßfurt entlassene Pfleger soll seine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Magdeburg zurückziehen. Außerdem soll sich der 41-Jährige wie sein Vater Helmut verpflichten, sich nicht mehr über den stationären Aufenthalt seiner Mutter im Ameos-Klinikum Aschersleben zu äußern. Darüber hinaus soll die Familie bei der MZ darauf hinwirken, die beiden bisherigen Artikel über ihre Vorwürfe gegen Ameos aus dem Internet zu löschen.
Im Gegenzug, so heißt es in dem Anwaltsschreiben, gebe Ameos die Patientenakte von Karin Flügel heraus und verzichte auf weitere Ansprüche gegen die Familie wie die „Zahlung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten sowie auf Veröffentlichung einer Richtigstellung“. Nach der von der Familie gestellten Strafanzeige ermittelte die Polizei.
Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt
Die Magdeburger Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren aber ein, weil sich bei der Obduktion des Leichnams keine Anhaltspunkte für einen schuldhaft herbeigeführten Tod entdecken ließen. Flügels wollen nun nach eigenen Angaben auf dem Zivilrechtsweg eine Schadensersatzklage einreichen und haben zu diesem Zweck einen Fachanwalt für Medizinrecht eingeschaltet.
Wenige Tage nach Veröffentlichung der schweren Vorwürfe gegen Ameos in der MZ wurde Karsten Flügel suspendiert und schließlich „aus wichtigem Grund“ fristlos gekündigt. Dieser wichtige Grund soll aber nicht die Strafanzeige gegen den Arbeitgeber, sondern eine Beleidigung sein.
„Davon habe ich zum ersten Mal beim gescheiterten Gütetermin am Arbeitsgericht durch den Ameos-Anwalt erfahren. Ich weiß bisher nicht einmal, wen ich beleidigt haben soll und bin sehr gespannt darauf, wer sich für den Gerichtsprozess Ende April als Opfer zur Verfügung stellt“, sagt Karsten Flügel.
Es sei seltsam, dass der Betriebsrat einer fristlosen Entlassung wegen Beleidigung zustimmte, ihn als Betroffenen aber nicht einmal dazu angehört hatte. Sebastian Lehotzki, Direktor der Ameos-Kliniken in Aschersleben und Staßfurt, wollte sich zum Kündigungsgrund unter Hinweis auf das schwebende Verfahren nicht äußern.
Fristlos gekündigter Karsten Flügel hat neuen Job gefunden
Der ehemalige Ameos-Pfleger hat längst wieder einen neuen Job. „Ich schrieb gleich nach der Kündigung fünf Bewerbungen an Kliniken im Umkreis und erhielt fünf Zusagen“, berichtet der Wohlsdorfer, der sich fürs Bernburger Salus-Krankenhaus entschied. „Hier fangen ständig ehemalige Kollegen an, die nicht mehr bei Ameos arbeiten wollen.“ (mz)