Salzlandkreis Salzlandkreis: Schnitzeljagd der Moderne
BERNBURG/ MZ. - Sie hatte einen Tipp bekommen. Also stapfte Anja Koffmane in dicken Skisachen durch den tiefen Schnee Österreichs. Immer in der Hoffnung zu finden, wonach sie suchte. Die Gerbitzerin stand nach einiger Zeit vor einer Dorfkirche. Hier musste es sein. Ihr GPS-Gerät zeigte ihr, dass sie an der richtigen Stelle war. Ein aufmerksamer Blick und da war sie, eine Filmdose. Kein Schatz, keine Sensation, nur eine Filmdose.
Anja Koffmane ist eine von 45 000 registrierten deutschen Geocachern. So wie die 18-Jährige folgen immer mehr junge Menschen den Herausforderungen der modernen Schnitzeljagd, Geocaching genannt. Modern, weil man keine Karte wie einst Indiana Jones benötigt. Heute hat der Schatzsucher ein GPS-Gerät. "Das ist das wichtigste Hilfsgerät, um die Verstecke aufzuspüren", erklärt Daniel Schönfeld, ein erfahrener Geocacher und Betreiber der Internetseite geocaching-anhalt.de.
Dabei versprühen die geheimen Verstecke in Österreich ebenso ihre Faszination wie in der Region um Bernburg. So wie Anja Koffmane finden es vor allem junge Menschen spannend, ein Ziel in der freien Natur zu suchen, ohne genau zu wissen, in welchen Winkel die Koordinaten sie führen.
Die Koordinaten der "Caches" werden im Internet veröffentlicht. Diese führen den Geocacher zu einem geheimen Versteck, in dem häufig eine kleine Dose liegt. Diese Dose enthält Tauschgegenstände und Logbücher, in denen die Geocacher ihre Erfahrungen und Grüße hinterlassen. Oberstes Gebot: Nimmt der Finder etwas aus der Dose, sollte er auch wieder etwas hineinlegen, damit der Nächste nicht leer ausgeht.
Die modernen Schatzsucher müssen nicht sonderlich mutig sein, zumindest dann nicht wenn sie die Caches in Bernburg suchen. "Zehnjährige gehen mit ihren Eltern auf Touren, während auch 70-Jährige auf diese Weise die Natur erkunden", sagt Schönfeld. Während es deutschlandweit schon 203 086 Verstecke gibt, befinden sich in und um Bernburg rund 150 Caches, die man per GPS finden kann. "Sie sind an den Orten zu finden, die die Cacher als sehenswert erachten. Das kann direkt an Sehenswürdigkeiten sein oder an schönen Plätzen in der Natur", sagt Schönfeld.
Beim Geocaching gibt es verschiedene Schwierigkeitsgrade. Neben den einfachen Caches, bei denen man praktisch mit dem Auto die jeweiligen Koordinaten erreicht, gibt es solche, die nur mit bestimmter Ausrüstung erreichbar sind, wie einer Bergsteiger- oder Taucherausrüstung. "Auf diese Weise habe ich das technische Klettern am Seil gelernt", sagt Schönfeld.
Besonders knifflig sind die Rätselcaches. Um die Verstecke zu finden, muss im Vorfeld recherchiert oder es müssen während der Tour Rätsel gelöst werden. "Da kann sich so eine Tour auch mal über mehrere Stunden hinziehen", sagt Anja Koffmane, die seit der Cachesuche im Februar 2010 in Österreich noch mehr Verstecke gefunden hat. Die Gerbitzerin wurde von ihrem Onkel mit dem Geocaching-Fieber angesteckt.
Unter anderem wurde sie in Stuttgart fündig. Um an die Koordinaten für das Versteck zu kommen, musste sie einige der Brunnen besuchen, an denen Fragen gestellt wurden. Hatte sie die Fragen richtig beantwortet, konnte sie die Zahlen mit Hilfe einer Formel in Koordinaten umwandeln.
Daniel Schönfeld kam durch seine Leidenschaft für Technik und Computer zum Geocaching. "Ich hatte mir 2006 ein GPS-Gerät für die Autonavigation geholt, wollte aber wissen, welche weiteren Möglichkeiten das Gerät bietet. Im Internet bin ich dann auf das Geocaching gestoßen, habe mir die Software für mein Navigationssystem heruntergeladen und mich auf die Suche nach zehn Caches in Magdeburg begeben", erinnert sich der Internetseitenbetreiber. Schönfeld hat bereits über 1 600 Caches in Deutschland, Frankreich, Polen, Dänemark, Schweden, Norwegen, der Schweiz und Spanien gefunden.
"Damals war die weltgrößte Plattform geocaching.com nur in Englisch verfügbar. Das bereitete vielen - meist älteren - Neucachern Schwierigkeiten", schildert Schönfeld den Beweggrund seines Engagements. Er ging deshalb mit seiner deutschsprachigen Internetseite geocaching-anhalt.de im November 2009 ans Netz.
Mit der wachsenden Cacher-Gemeinde wachsen auch die Probleme: "Leider werden immer mehr Caches nur noch wegen der Caches versteckt und nicht um ortsfremden Cachern interessante Orte zu zeigen - das Drumherum rückt in den Hintergrund", bedauert Schönfeld. Auch nimmt die Anzahl der Gegner zu. Vor allem Jägern, Waldbesitzern und Förstern missfällt das Hobby. "Dabei sollten gerade die Verstecke im Wald den Cachern die Natur näher bringen", sagt Schönfeld. Es gebe nicht nur rücksichtslose Cacher, betont er und sagt, dass er durch Geocaching viele Freundschaften geschlossen und einen guten Ausgleich zu seinem Beruf gefunden habe. Und die Freude am Unterwegssein könne man ihm nun wirklich nicht verbieten. So sieht es auch die 18-jährige Anja Koffmane: "Man lernt die Umgebung besser kennen und entdeckt schöne Orte, die man vielleicht so nie besucht hätte. Warum sollte man da der Natur schaden?"